Also dann:

Teil 1

Vancouver und durch Washington und Idaho nach Montana

Route: http://www.gpsies.com/map.do?fileId=uwyphzjhmkgjbxfi

In Vancouver pünktlich mit AirBerlin angekommen, begab ich mich gleich zu dem schon Monate zuvor gebuchten Hostel. Das liest sich einfacher als getan. Mit dem Rad vom Airport ins Zentrum zu gelangen, ist nämlich gar nicht so einfach. Mit den Hinweisen anderer Radler habe ich das Hostel dann aber recht schnell gefunden. Auf dem Weg dahin war ich auch noch bei MEC, um meine Ausrüstung zu vervollständigen. Einen neuen Helm brauchte ich, außerdem auch noch das MSR Hubba Hubba, da ich für die amerikanischen Zeltplätze mit ihrem oft harten Untergrund ein Zelt mitnehmen wollte, das auch ohne Häringe aufgestellt werden kann. Einiges an Kleinkram kam dann noch hinzu.

Den nächsten Tag, Donnerstag, 23.06, verbrachte ich mit einer Rundfahrt um und durch den Stanley-Park, sowie mit weiteren Erkundungen im Zentrum von Vancouver.

Am Freitag ging es dann mit dem Rad los. Wieder vom Zentrum am Airport vorbei weiter zum Fährterminal Tsawwassen; und das mit Hindernissen. Einmal musste ich ein kräftiges Gewitter in einer Straßenunterführung abwarten; dann auf den Shuttle durch den Tunnel unter dem Frazer-River warten, schließlich habe ich mich auch noch verfahren, sodass ich eine spätere Fähre nach Vancouver Island (Swartz Bay) nehmen musste. Von Swartz Bay ging es dann mit einem kleinen Umweg weiter zum Fährterminal in Sidney, zur Fähre nach Anacortes. Bis zu deren Abfahrt hatte ich noch reichlich Zeit und verbrachte sie in dem hübschen Ferienort Sidney. Um auf die US- Fähre zu kommen, musste ich mich der üblichen Einreiseprozedur mit Fingerabdrücken etc. unterziehen. Die Fahrt durch die Inselwelt im Pugetsund dauerte mit drei Stunden recht lange, war aber dennoch wegen der schönen und immer wechselnden Aussichten recht kurzweilig.

In Anacortes angekommen, war es inzwischen recht spät am Abend. Auch hier wollte die US-Einwanderungsbehörde noch einmal wissen, was ich hier eigentlich wollte. Zudem monierte die strenge Beamtin meinen mit Ductape geflickten Deckel der Lenkertasche. Ich musste das Klebeband teilweise entfernen; weiß der Himmel, was sie dahinter vermutet haben mag. Sie ließ mich dann aber endlich doch auf' das US-Festland, wo ich die nächste Campmöglichkeit, den Washington-Park in Anacortes ansteuerte. Der war nicht weit vom Terminal entfernt. Schon im Dunkeln baute ich mein neues Zelt auf, was überraschend schnell und einfach vonstatten ging. Ich schlief auch recht gut; etwas störend war jedoch der von den anderen Zeltplätzen ausgehende Geruch nach brennendem Holz. Ami-Camper müssen offensichtlich immer Feuer machen, auch wenn sie in ihren RV´s alles an Bord haben. Zu jedem Zelt- bzw. Stellplatz gehört eine Feuerstelle, und das Feuerholz wird immer gleich mit angeboten.

In Anacortes sollte also meine Reise auf der Northern Tier – Route von ACA (Adventure Cycling Association) richtig losgehen. Vom Washingtonpark fuhr ich am nächsten Morgen gleich in die Stadt, um Einkäufe zu tätigen und mich mit US-$ einzudecken. Da der Einstieg in die Radroute am Ende des großen Parkplatzes vor dem Safeway lag, machte ist dort erst mal einen Stopp, um einige Dinge einzukaufen. Zuvor allerdings gönnte ich mir im benachbarten Starbucks einen großen Milchkaffee sowie einige Donuts. Ich nutze die Pause auch dazu, die schon in Deutschland gekaufte Cellion-SIM-Karte in mein Nokia einzusetzen und die erste ACA-Radkarte zu studieren.
Ich hielt auch Ausschau nach anderen Radlern, dachte ich doch, dass sich am Einstiegspunkt in die NT-Radroute auch noch Andere auf den langen Weg begeben würden. Leider vergeblich. Als ich vor dem Einkaufscenter die eingekauften Sachen in meiner Küchentasche verstaute, kam ein Auto mit Schwung auf mich zugefahren, ein junger Mann sprang heraus. Ich war erschrocken und dachte, etwas Unrechtes gemacht zu haben. Er wollte aber nur ein Foto von meinem Fahrrad machen. Für seinen Vater, wie er sagte; der habe auch einen LHT, aber nur einen von der Stange und nicht mit den edleren Komponenten, mit denen ich mein Bike ausgestattet hatte. Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass ich auf mein Rad angesprochen wurde. Und man war immer sehr überrascht, wenn ich sagte, dass ein Surly-LHT in Deutschland ein durchaus gängiges Reiserad ist.

Nach einigen Suchen fand ich dann den Einstieg in die Radroute, die mich durch ein Gewerbegebiet aus dem weitläufigen Anacortes herausführen sollte. Sie verlief abseits der Hauptstraße in Ufernähe an der Fidalgo Bay in süd-östlicher Richtung. Als ich aus dem bebauten Gebiet in freiere Natur kam, merkte ich, dass die Radroute über eine aufgelassene Bahntrasse ging, die sich immer mehr dem Ufer näherte und schließlich auf einem Damm verlief, welcher in spitzem Winkel auf die Bay hinausging. Zu beiden Seiten hatte ich jetzt Wasser, und nach etwa einer knappen Meile wurde aus dem Damm ein auf Stelzen aufgebauter Bohlenweg. Der war noch recht neu und wurde auch von anderen Radfahrer und vor allem Joggern frequentiert. An der anderen Seite der Fidalgo Bay ging es erst auf einer Nebenstraße zum nahen Highway 20. Auf dem musste ich etliche Meilen nach Westen fahren, weil man nur auf dem die beiden Mündungsarme des Swinomish River überqueren konnte. Es war für mich sehr ungewohnt, auf einem autobahnartig ausgebauten vierspurigen Highway mit dem Rad zu fahren. Zum Glück hatte der Highway einen sehr breiten Seitenstreifen, auf dem man in sicherem Abstand von dem recht starken Verkehr radeln konnte. Kurz nach Überquerung des zweiten Flussarmes musste ich vom Highway auf eine Nebenstraße abbiegen.
Dazu musste ich die beiden Fahrbahnen überqueren und mich auf der linken Abbiegespur vor der Ampel einordnen. Bei dem starken Verkehr dauerte das eine ganze Zeit. Als ich mich endlich ganz links eingeordnet hatte, stand ich bald am Kopf einer immer länger werdenden Schlange von Trucks, Vans und Pickups, die alle auch abbiegen wollten.

Ich war froh, als ich das geschafft hatte und auf einer ruhigen Nebenstraße jetzt am Ostufer der Padilla Bay nach Norden fahren konnte. Die Straße führte durch eine Marschlandschaft. Nach wenigen Meilen sollte ich nach der Routenbeschreibung von dieser auf einen geschotterten Weg durch die dicht mit Schilf bewachsene Uferlandschaft abbiegen. Auf diesem Wanderweg waren in Abständen Rastplätze mit Info-Tafeln, auf denen die dort beheimateten Vogelarten beschrieben waren. Im Gelände sah man dann auch Leute mit Fotoausrüstung herumlaufen; offensichtlich handelte es sich um ein bei Birdspottern beliebtes Wandergebiet.

Nach einigen Meilen führte der Wanderweg wieder zur Straße zurück. In der ersten Ortschaft Bay View musste ich nach rechts, also nach Osten abbiegen. Ich fand auch gleich die Josh Wilson Rd., auf der ich die Küste also verlassen sollte. Inzwischen hatte ich mich auch schon ganz gut auf die Orientierung mit Hilfe der ACA-Radkarte eingestellt. In den USA fehlen an Kreuzungen und Abbiegungen zumeist Wegweiser, an denen man sich orientieren kann. Dafür stehen überall die Straßennamen. Man ist also auf eine detaillierte Karte ( oder ein GPS-System) angewiesen.

Ich war also jetzt endlich auf dem Weg vom Pazifik zum Atlantik im noch ganz fernen Osten.
Die ACA-Route führte mich dann in einem nach Norden verlaufenden Bogen um das Ballungsgebiet der beiden Städte Burlington und Sterling. Das Gelände war fast eben und zum großen Teil landwirtschaftlich genutzt. Etwas überrascht war ich davon, dass es sich um eher kleine Farmen handelte, überwiegend Milchwirtschaft. In einem Waldgelände machte ich eine kurze Rast und probierte zum ersten Mal in den USA mein Mobiltelefon, in dem ich ja jetzt die amerikanische SIM-Karte hatte. Es klappte auf Anhieb.

Als Ziel meiner ersten US-Etappe hatte ich Rockport ausgesucht. Nach der nördlichen Umgehung von Burlington und Sterling ging es in süd-östlicher Richtung nach Sedro Woolley. Jetzt nicht um den Ort herum, sondern mitten hindurch. Das war aber unproblematisch. Der Ort war (oder ist immer noch?) wohl ein Zentrum der Holzindustrie. An der zu überquerenden Bahnstrecke war ein kleines Museum, das an die wohl besseren Zeiten der Holzwirtschaft erinnerte. Das Ortszentrum bestand aus der typisch-amerikanischen breiten Straße mit den üblichen Geschäften und sonstigen Etablissements auf beiden Seiten; und natürlich den auf beiden Straßenseiten in Quer-Richtung geparkten Vans und Pickups. Von der Ortsmitte führte mich die Radkarte vom Highway 20 nach Süden über den Skagit River auf die am südlichen Flussufer verlaufende Nebenstraße. Durch dichten Mischwald ging es immer am Skagit entlang nach Osten. Ich war bis zur nächsten Ortschaft praktisch allein unterwegs. Und das war ein ganzes Stück, nämlich 26 Meilen. Dann ging es über den Skagit wieder zurück zur Hauptstraße, dem Highway 20. Als ich auf diesen einbog, sah ich etwas, was ich in etlichen Reisebeschreibungen auf Fotos gesehen hatte, die alten Zementsilos von Concrete. Der kleine Ort erhielt seinen heutigen Namen, als 1905 die Portland Cement Company in der damaligen Ortschaft Baker ein großes Zementwerk errichtet hatte. Heute erinnert nur die Ruine der großen Silos an diese Epoche.

Von Concrete, wo ich gegenüber den alten Silos an einer Gasstation Mittagspause gemacht hatte, ging es weiter den Skagit entlang, jetzt auf der Hauptstraße, nach Rockport, wo ich im Howard Miller Steelhead Park auf dem Campground einen wunderschönen Platz für mein Zelt in einem für Hiker/Biker reservierten Teil des großzügigen Parkgeländes fand. Dort waren schon drei kleine Zelte aufgebaut, auch sah ich drei abgestellte Reiseräder und bald auch drei junge Burschen, die sich dort niedergelassen hatten. Es waren Studenten, die in den Sommerferien auf einer Radtour vom heimischen Seattle nach New York unterwegs waren. Sie waren also für die nächsten Wochen auf derselben Route; dennoch habe ich sie nicht wieder gesehen.

Als ich nach dem Zeltaufbau duschen wollte, hatte ich ein kleines Problem. Der noch ganz neue Münzautomat wollte entweder mit einer 1 Dollar-Münze oder mit 4 Quarters (=25 Cent-Münzen) gefüttert werden. Ich hatte nur eine einzige 1 Dollar-Münze, und zwar eine, die offensichtlich frisch aus der Münzprägeanstalt in den Verkehr gekommen war. Der Automat warf sie aber immer wieder aus. Ich ging dann zum Haus des Parkwärters, um die Dollarmünze in Quarters einzuwechseln.
Der Mann schaute sich die Münze, offensichtlich überrascht, sehr aufmerksam an und rief dann seine Frau aus dem Haus zu sich und zeigte ihr die Münze. Er erklärte, dass er eine solche Münze zum ersten Mal in der Hand halte und dass es die erst seit Kurzem gäbe.
Ich hätte die Münze behalten sollen; sie scheinen eine Rarität zu sein, denn ich habe in der ganzen Zeit, die ich in den USA verweilte, keine zweite gesehen.

Die nächste Etappe ging von Rockport zum Tagesziel Diablo; zunächst weiter entlang dem Skagit River, der sich durch ein zunehmend enger werdendes Tal schlängelte. Die Straße ging mit leichter Steigung das Tal hinauf; die umliegenden Berge erreichten hier schon über 2 000m Höhe und hatten schneebedeckte Spitzen. Nach 12 Meilen erreichte ich Marblemount, wo auf einem Schild darauf hingewiesen wurde, dass hier die letzte Versorgungsmöglichkeit für die kommenden rund 70 Meilen sei. Ich machte bei einer Pause gerne davon Gebrauch.
Bis zum Diablo Lake, wo ich auf dem Colonial Campground übernachten wollte, war es dann noch ein langer Weg. Die Straße ging mit zunehmender Steigung das enge Tal hinauf; der Skagit, dessen Verlauf sie immer noch folgte, verschwand stellenweise aus dem Blickfeld, auch war ein erster Tunnel zu durchfahren. Vorbei ging es auch an einem Wasserkraftwerk in Newhalem, welches nach der Info-Tafel die Stadt Seattle mit Strom versorgt. Endlich erreichte ich den Diablo Damm und bog von der Straße zum Campground ab.

Nach einer ruhigen Nacht, in der ich nur von einigen Eichhörnchen gestört wurde, die sich an meinen in einer Netztasche im Vorzelt untergebrachten Essensvorräten zu schaffen machten, ging es dann am nächsten Morgen richtig zur Sache; der erste Pass der Northern Cascades, der Rainy Pass 1480 m, war anzugehen. Gut 30 Meilen ging es mit gleichmäßiger Steigung auf breiter Straße hinauf. Nach nur kurzer Abfahrt ging es gleich zum nächsten Pass, dem Washington Pass, der mit 1669 m so viel höher ist, dass dort noch Schnee lag. Nicht auf der Straße natürlich, sondern im Gelände; und teilweise meterhohe Schneewälle an den Rändern. Es war aber weiterhin sonnig und warm. Da nach dem Pass eine sehr lange und steile Abfahrt kam, zog ich mir beim kurzen Halt auf der Passhöhe eine Windstopper-Weste über das kurzärmelige Trikot. Dann kam eine wunderschöne, 12 Meilen lange Abfahrt , die ich bei der gut ausgebauten Straße in hohem Tempo angehen konnte. Ich kam nach Mazama, wo ich in einem urigen Country Store eine längere Pause machte. Es gab z.B. auch frisch gebackenes Brot und natürlich Bier. Einige Meilen weiter dann übernachtete ich auf kleinem C-Platz „nur für Biker“; ich war einziger Gast, und hatte eine interessante Unterhaltung mit dem Besitzer!

Am nächsten Morgen war es nur ein kurzer Weg zur nächsten Ortschaft Winthrop; einer kleinen Stadt, wie man sie aus Western-Filmen kennt. Mit einem großen Becher Kaffee saß ich einige Zeit auf der Veranda eines Western Saloons und beobachtete den durchfahrenden Verkehr, der neben den allerorts zu sehenden großen Pickups aus riesigen Lumber Trucks bestand, die sich durch die enge Ortsdurchfahrt schlängelten.

Auch an diesem Tag stand wieder eine Pass auf dem Programm, der Loup Loup Pass. Der Anstieg war recht kurz und nicht besonders beschwerlich; die Abfahrt dafür recht lang und steil.
Jetzt, hinter den Pässen der Northern Cascades hatte die Landschaft ein ganz anderes Gesicht. Der dichte Wald war einer offenen Landschaft gewichen. Auch war es nicht mehr so grün; offensichtlich herrscht hier ein trockeneres Klima.

Hier traf ich Tom aus Boston, 56 Jahre, gerade aus der US-Airforce verabschiedet. Er hatte einen Platten am Hinterrad behoben und dazu das Rad auf den Kopf gestellt. Verzweifelt versuchte er, die Kette wieder aufzulegen. Er hatte in seiner Not schon nach dem Sherriff um Hilfe gerufen, der ihm aber auch nicht helfen konnte. Ich stellte das Rad wieder auf die Räder, und mit leichter Nachhilfe ließ sich die verwickelte Kette wieder entwirren und auflegen, sodass man das Hinterrad einsetzen konnte. Zusammen fuhren wir dann nach Okanogan, wo wir in einem Bikeshop Stopp machten. Tom kaufte einen neuen Schlauch; ich sah mich im Shop um und nachdem ich dem Inhaber erzählt hatte, dass ich in einem Fahrradgeschäft aufgewachsen bin, hatte eine interessante Unterhaltung mit ihm. Anschließend fuhren wir die wenigen Meilen weiter nach Omak; dort bauten wir in einem riesigen Sportgelände unsere Zelte aus. Dort hatte sich schon ein anderer Radreisender, Henk aus Holland – 70 Jahre, aus Alkmaar – häuslich eingerichtet. Er war am Vortag ein Teilstück mit Tom zusammen unterwegs gewesen und Tom hatte sich mit ihm hier in Omak verabredet.

In der Nacht plötzlich heftiger „Regen“! Er kam aus der auf dem gesamten Gelände installierten Sprinkleranlage; am nächsten Morgen gab es eine Entschuldigung vom zuständigen Mann der örtlichen Verwaltung und die Rückzahlung der 15 $ Übernachtungsgebühr. Mein Hubba Hubba hat die „Regenprobe“ bestanden.

Am nächsten Tag, Mi. 29.06., ging es zu Dritt weiter nach Wauconda. Vor der Passhöhe wurde auf einem einfachen Campground gezeltet. In der nahe gelegenen Gasstation mit Shop/Restaurant haben wir bei reichlich Bier gut gespeist.

Nach der ACA-Karte sollte es dann auf der NT-Route weitergehen über den Sherman-Pass, den letzten Pass westlich der Rocky Mountains. Im Wauconda-Restaurant hatte ein einheimischer Radsportler einen Flyer hinterlegt, in dem eine alternative Route, empfohlen wurde, Die war zwar etwas länger, sollte aber geringere Steigungen aufweisen als die Route über den Sherman-Pass. Tom wollte unbedingt diese Alternative nehmen; er hatte eine für mich nicht nachvollziehbare Abneigung gegen einen weiteren hohen Pass; vier Pässe seien vorerst genug, meinte er. Nachdem sich auch Henk für die alternative Route ausgesprochen hatte, schloss ich mich dem an. Die neue Route führte von Wauconda erst ein Stück nach Norden in die Nähe der kanadischen Grenze. Es war eine landschaftlich sehr schöne Strecke, auf der wir in Curlew eine Mittagsrast einlegten. In dem Restaurant an einer Straßenkreuzung, von der es zur Grenze ging, kamen wir ins Gespräch mit einem Paar aus dem nahen BC, das uns einen weiteren Umweg über Kanada empfahl. Wir folgten auch dieser Empfehlung und fuhren in Danville über die Grenze nach Alberta und nach gut 20 km in BC in Laurien wieder zurück in die USA. Von der Grenze an fuhren wir entlang dem Kettle River nach Kettle Falls. Dort fanden wir einen einfachen und billigen (5 $) C-Platz.

Jetzt wieder auf der NT-Route ging es am Freitag, 01.07., weiter nach Colville. Dort ging uns Henk verloren; er musste zum Optiker, Tom zu einer Fahrradwerkstadt, ich zu einem Sportgeschäft, um eine Short zu kaufen. Am Ortsausgang Richtung Ione wollten wir uns wieder treffen. Tom habe ich getroffen; zusammen sind wir nach einer langen Tagesetappe in einem Motel in Ione abgestiegen, aber nach Henk hatten wir den ganzen Tag vergeblich Ausschau gehalten.

Sehr früher Start am Samstag; in Usk fand ich in einer Tankstelle eine Nachricht von Henk, ihn selbst haben wir aber nicht wieder getroffen. Mit Tom ging es über die Grenze nach Idaho mit dem Ziel Sandpoint. Auf dem Weg dahin stießen wir auf ein Paar auf seinem Ausflug mit Moutainbikes. Die beiden luden uns ein, bei ihnen im Garten zu zelten. Wir nahmen die Einladung gerne an. Auch die zum gemeinsamen Abendessen und zum Frühstück am nächsten Morgen.

An dem ging es zunächst nach Sandpoint, der einzigen größeren Stadt in diesem nördlichen Teil von Idaho. Nach einem kurzen Stopp in einem Fahrradgeschäft ging es weiter zur nahen Grenze zu Montana. Das nördliche Idaho war also schnell durchradelt; kein Wunder, es besteht hier auch nur aus einem schmalen Schlauch, dem sog. Panhandle.

Nach dem Grenzübergang fanden wir nach kurzer Fahrt auf der ruhigen Straße durch schöne Berglandschaft einen schönen Zeltplatz in Noxon, wo sich unsere Routen trennten; Tom fuhr weiter auf der Northern Tier-Route nach Norden (Libby), ich abweichend davon nach Südosten auf dem Hw 200 mit dem Ziel Missoula.


Montag, 04. Juli, Independence Day!, Ich war wieder allein unterwegs. Auf dem Highway 200 ging es durch das weite und offene Tal des Clark Fork nach Südosten. Über Trout Creek und Thompson Falls kam ich am späten Nachmittag nach Plains. Da es sehr heiß war, entschloss ich mich, nicht noch weiter zu fahren, sondern hier Station zu machen. Nach der Karte gab es in Plains keinen Campground; also suchte ich nach einem Motel. Am südlichen Ortsausgang fand ich auch eines, offensichtlich das einzige. Als ich nach einem Zimmer fragte, erhielt ich von dem perfekt bayerisch sprechenden Manager nur als Antwort „Independence Day! will heißen, alles voll oder „no vacancy“. Er sagte dann aber in seinem bayerisch, das er in über 20 Jahren bei der Army in Bayern gelernt hatte, warte mal!“ und griff zum Telefon. Nach kurzer Unterhaltung mit einen offensichtlich guten Bekannten, nahm er einen Zettel und malte eine Streckenbeschreibung zum Fairground auf der anderen Seite des Clark Fork River. Dort sollte ich zelten können.

Schnell hatte ich den Fairground gefunden; schon auf dem Weg zum Motel hatte ich das große Hinweisschild gesehen. Am Eingang zum Gelände wurde ich gleich von einem älteren Mann in Empfang genommen, der mich mit seinem Elektrokart durch das riesige Gelände zu einer großen frisch gemähten Grasfläche bugsierte. In der Mitte war ein großes Sanitärgebäude, das eigens für mich aufgeschlossen wurde. Ich baute mein Zelt auf und blieb die ganze Nacht über allein auf dem Gelände.

Am Dienstag ging es dann nach Missoula! Die Fahrt ging durch eine wunderschöne Berglandschaft mit verstreut liegenden Farmen. Die letzten Meilen von Ravalli waren recht nervig und anstrengend. In Missoula fand gleich ein einfaches und preiswertes Motel. Obwohl ich an diesem Tag bereits 126 km gefahren war, war erst früher Nachmittag. Ich machte mich daher nach der Einquartierung gleich auf und fuhr mit dem jetzt unbeladenen Rad weiter ins Stadtzentrum, wo ich schnell die Zentrale von ACA fand, welche in einem noch relativ neuen Gebäude untergebracht ist, das ursprünglich als Kirche gebaut und auch eine Zeit lang genutzt worden ist. Den Rest des Nachmittags hielt ich mich dort auf, nutzte die Bibliothek und hatte interessante Unterhaltungen mit den Mitarbeitern und den anderen Radreisenden, die dort ein- und ausgingen. Auch kaufte ich in dem kleinen, aber gut sortierten Shop eine neue Lenkertasche, deren Adapter ich gleich vor Ort am Lenker meines LHT montierte.

Am nächsten Morgen kam ich auf meinem weiteren Weg wieder bei ACA vorbei und kehrte erneut ein, um den freien Internetzugang zu nutzen. Nach einigen Besorgungen in einem Supermarkt machte ich mich dann gegen Mittag auf den Weg in Richtung Rocky Mountains. Dazu musste ich wieder auf Highway 200 ein Stück weiter nach Osten in Richtung Great Falls fahren. Die ersten Meilen aus Missoula heraus auf einer Nebenstrecke, auf der ich nach 10-12 ml glaubte, mich verfahren zu haben. Ich fuhr folglich wieder zurück und nahm einen neuen Anlauf. Dabei stellte ich fest, dass ich doch auf dem richtigen Weg gewesen war; somit war ich gut 20 Meilen umsonst geradelt. Schon bald begann die Straße zunächst leicht, dann immer stärker anzusteigen. In der Ferne tauchte auch bald die Silhouette der Rocky Mountains mit den schneebedeckten Spitzen auf.

Da mein nächsten Ziel der Glacier National Park im Norden von Montana war, bog ich nach etwa 20 Meilen vom Hw 200 nach Norden auf Hw 83 ab und erreichte nach weiteren 15 mein nächstes Etappenziel Seeley Lake. Wie die Ortsnamen entlang dieser Strecke schon verraten, führt die Straße an einer Kette von kleinen und mittelgroßen Seen entlang. In Seeley Lake konnte ich hinter einem Motel in einem lichten Waldstück mein Zelt aufbauen und Dusche und Toilette im Motelgebäude nutzen. Zudem gab es dort Wasser aus Plastikflaschen, dann man sich aus einer mit Trockeneis gefüllten Box holen konnte, ohne dafür etwas zahlen zu müssen. Bier gab es leider nicht umsonst, aber im benachbarten Tankstellenshop zum üblichen Preis.

Weiter ging es am nächsten Morgen auf dem wunderschönen Hw 83. Zur Rechten immer im Blick der Rocky Mountains, zur Linken die Mission Range, jeweils mit schneebedeckten Gipfeln. Unterwegs begegnete ich einem Radler, der mit MTB und Hänger eigentlich auf der Continental-Divide-Route nach Süden wollte, aber wegen zu viel Schnee auf den tiefer gelegenen Highway ausweichen musste. Ich radelte auf fast ebener Straße durch ein weites Tal entlang einer Kette von Seen; auf beíden Seiten die schneebedeckten Dreitausender.

In Condon, auf etwa halber Strecke zum Tagesziel, sah ich ein Post Office. Spontan entschloss ich mich, anzuhalten und einige Teile meiner Ausrüstung, auf die ich nach den bisher gemachten Erfahrungen glaubte verzichten zu können, nach Hause zu schicken. Mit Hilfe der netten Dame im Post Office packte ich einige Sachen in einen mittelgroßen Karton und war ich anschließend mit 7 kg weniger unterwegs. Sicher nicht schlecht für die bald kommende Überquerung der Rocky Mountains.

Swan Lake war mein Tagesziel. Nach einigen Reiseberichten, die ich in „crazyguyonabike.com“ gelesen hatte, wusste ich, dass man hinter dem dortigen Trading Post sein Zelt aufstellen und übernachten konnte. Das tat ich dann auch; zuvor allerdings gönnte ich mir aber ein kühles Bier., denn er war wieder ein sehr heißer Tag. Mein Zelt war das Einzige auf dem weiträumigen bewaldeten Gelände, auf dem etliche Hütten standen, in denen vor allem Angler einquartiert waren, die im nahen See ihr Glück versuchten.

Schon früh am Abend kam das angekündigte Gewitter, von dem ich – vergeblich, wie sich später herausstellte - etwas Abkühlung in den folgenden Tagen erwartete.

Im Trading Post konnte ich die Zeit vor und nach dem Abendessen mit meinem Netbook verbringen. Hier klappte es endlich mit dem Internetzugang. Die in großer Zahl eingegangenen E-Mails wurden bearbeitet bzw. gelöscht; der Reisebericht konnte endlich in Angriff genommen werden.

Gegen Abend stellten sich immer mehr Gäste ein, und ich lauschte interessiert den Gesprächen, die sich vor allem um das Angeln im nahen See, aber auch um die in der Gegend immer häufiger herumstreunenden Schwarzbären drehten.

Die junge Frau, die im Laden und kleinen Cafe`-Restaurant bediente, war übrigens eine Lehrerin, die, wie sie erzählte, in der Ferienzeit kein Gehalt bekam und sich daher mit anderer Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen musste.

Fotos: www.picasaweb.google.de/elrayno/nordamerika2011