Re: Radreisen, nur was für wohlhabende Menschen?!

von: panta-rhei

Re: Radreisen, nur was für wohlhabende Menschen?! - 10.01.12 22:39

Hallo,

Witziger Thread, entwickeln sich eigentlich 2 Ebenen draus:

- philosophische Betrachtungen zu Langzeitreisen/Aussteigen auf Zeit/ Lebensstil
- mehr oder weniger konkret-technische Überlegungen "was muss ein Reiserad etc. kosten"


Zum erstem Thema:

Ich denke, die von wqwq losgetretene Diskussion beleuchtet den Ersatzcharakter von Konsum in unserer Gesellschaft: Unerfüllte Träume werden sublimiert, ausgelebt im Konsum von Waren (oder Dienstleistungen).

Eine Reiserad mit allen Schikanen zusammenkaufen und den Traum von "der grossen Reise" gleich mit. Man muss sich nur die Werbung der einschlägigen, "hochgeschätzten" Hochpreisanbieter anschauen. Das läuft natürlich in anderen Bereichen nicht anders - warum gibts wohl z.B. in CH mehr Gelaendewagen als in ganz Afrika? Sicher nicht nur, "weil im Winter mit dem vielen Schnee, da geht es sonst echt nicht die Garageneinfahrt hoch!" ... :-)

Unsere Gesellschaft erzeugt Konformität via Konsum. Und diese Falle sollte man sich hin und wieder bewusst machen. Falle, da auch das tägliche Polieren meines Edellux nicht das Gefühl bringt, was ich hatte, als ich vom Antiatlas erstmals die Sahara erblickte. Nicht annähernd ;-) ...

V.a. JoergonTour und Macrusher haben mir da ganz aus dem Herzen gesprochen.

In Antwort auf: JoergonTour
Das eigentliche Hobby der genannten Menschen scheint das einkaufen zu sein.

bäh


In Antwort auf: macrusher
Daß es geht zeigen viele Beispiele sogenannter "Dropouts", darunter auch Familien mit Kindern. Allerdings weniger im deutschen Sprachraum (aber auch da). Es ist ja auch so, daß man sich in Deutschland eigentlich nur über (das vorhandensein von) Erwerbstätigkeit definiert,


Sehr richtig. Keine zu haben, hat gerade in D sehr schnell den Geruch des Unanständigen. Was ist also mit dem "Aussteigen auf Zeit"? (Nicht dass ich finde, dass das das allgemein zu erreichende Ideal sein muss...). Warum träumen mehr Leute davon als es zu TUN?

- Geld:
OK, aussteigen auf Zeit ist teuer, da man in der Zeit nix verdient. Aber auch das ist relativ. Wir hatten als Family vielleicht 1000 Dollar pro Monat zur Verfügung. Mit Flugkosten, Versicherungen und Stauraum für unseren Hausrat haben wir für ein Jahr ca. 15-20000 Dolares verbraten. Für einen, der jahrelang in einem "normalen" Job knechtet, nicht sooo viel. Was kostet nochmal der Deutschen liebstes Spielzeug, ein "anständiges" Auto? Die Einbauküche? Nene, am Geld liegts meistens auch nicht.

- Zeit:
Keine Zeit - wieso nicht? Oder eher Angst vor dem Wiedereinstieg? Dem "Loch" im CV? Vor der Unsicherheit? Dem Unbekannten?

- Kinder:
OK, manchmal gehts nicht wirklich nicht, aber man kann auch mit Kleinkindern auf 4000m Höhe touren ;-) ... oder in den Tropen. Kinder haben an Abenteuern ebenso Spass - und sind in vielem anspruchsloser! Die Riesen-Kakerlaken sind spannend, die abblätternde Farbe in der Absteige stört garnicht, liebe Freunde gibts in jedem Hostel, jeder Kiesel ist ein Auto.

- der Partner:
Hier liegt, zumindest bei "spät" zum Reiseradeln "berufenen" sicher oft der Hase begraben, oder so grins ... wenn man schon immer eh nur Rad faehrt, ergibt sich auch Partnermaessig in Bezug auf die "Radreisebegeisterung" eher was passendes (nicht immer, aber oefters ;-) ...)


Ich denke, möglich ist eine monatelange Radreise im reichen Mitteleuropa für viele, es ist letztendlich meist eine bewusste Entscheidung, es nicht anzugehen. "Geht nicht gibts (fast) nicht".



Zum zweiten Thema:

Die Hardware, die man für eine (auch mehrmonatige) Radreise (auch in sog. 3. Weltländer) braucht, liegt im Bereich dessen, was für die allermeisten in Mitteleuropa erschwinglich ist. Sicher unterscheidet sich aber die Investition eines Autofahrers, der "für ein neues Hobby" investiert, von der eines Menschen, der eh schon immer Alltagsradler ist und nun mal Touren macht.

- Rad:
unter 1000 Euronen reichen mir auch "im fortgeschrittenen Lebensalter" noch für viele Tausend Km, Pisten, viel Gebäck etc.. Komischerweise auch, nachdem ich SON, Rohloff, Vollfederung, hydraulische Scheibenbremsen etc. ausprobiert habe :-D. Das Ding ist nur an wenigen Stellen angepasst, oft fahre ich es auch oft im Alltag. Ein Massrahmen mit "handverlesenen und :-) optimierten" Komponenten ist auch nicht doller (selbst ausprobiert, ein hybsches Rad). Ergo: Für den Donauradweg muss es erst recht nicht unbedingt ein 3000er Rad sein ... ;-)...

- Zelt:
ok, war bei mir nicht so preiswert: 800DM mit Vorführrabatt fürs MacPac Atlas, mit 400
E ist man mit einem Tantonka Polar 3 auch für eine kleine Familie gut gerüstet. Geht sicher auch deutlich preiswerter: z.B Salewa Kashgar mit viel Platz 200E oder Baumarkt.

- Radklamotten:
klassische Radhosen finde ich persönlich auf langen Strecken komfortabel, war mit den Aldi/Tchibo/Bicycles-Dingern immer glücklich ergo sicher nicht mehr als 150E. Mein persönlicher Radreiseguru fährt Hosen ohne Einsatz auf einem B17 narrow ... Der Rest an Klamotten muss m.E. nichts radspezifisches sein. Aber auch hier: Manche kommen mit Jeans oder einer engen Knaldi-Trainigshose gut klar.

Von dem ganzen Kram kann man natürlich viel auch im Alltag verwenden, so man denn das Rad denn auch zur Arbeit/ zum Einkaufen/ für den Kid-Transport etc. nutzt ;-).


_Kaufen_ kann jeder - just DO it!