Re: bewährte Fahrradhersteller + Rahmenhersteller

von: veloträumer

Re: bewährte Fahrradhersteller + Rahmenhersteller - 27.02.23 12:49

Du machst verschiedene Denkfehler. Heute werden Reiseräder oft nicht mehr als solche bezeichnet. Das hat viel mit veränderten Zielgruppen und auch Marketing zu tun. Reiserad oder Randonneur sind Begriffe, die um 2000 +/- 15 Jahre die spezielle Nische prägten. Viele kommen heute als Trekkingräder, Mountainbike und mittlerweile ziemlich stark als Gravelrad oder E-Bike in das Angebot für Räder, mit denen man sein "bike adventure" macht. Der Marketing-Chef von Rose bringt das auf den Punkt, indem er sinngemäß sagt, das richtige Rad für dich ist das Rad, das du als Kunde geil findest, nicht was der Fachmann dir vorschlägt, was du nach fachlischen Kriterien haben solltest für deinen Zweck.

Die Reiserad-Community ist auch weniger geschlossen als früher. Das Velo und Packkonzept spielte früher keine so große Rolle, jeder machte es etwas anders, aber reiste irgendwie durch die Lande. Heute werden die Reisekonzepte ideologisiert und spezifisch vermarktet, vgl. E-Bike, Bikepacking, Radreisen mit Kindern u.a.m. Viele Reiseradkonzepte sind bei durchdringendem Verständnis über Radreisen heute haarsträubend, manchmal sogar nur Retro aus einer Zeit von vor ca. 100 Jahren, befriedigt aber trotzdem deren Nutzer.

Dass du größere Hersteller ausschließen möchtest, halte ich für schlicht arrogant. Je nach Reiseradler finde ich auch bei größeren, preiswerteren Herstellern zuverlässige Räder und Service. ES wurde ja oben schon gesagt, dass es sehr auf die Komponenten ankommt, was bei custom made sehr große Spanne bedeutet. Anpassungen sind heute fast immer möglich, auch wenn nicht custom made ausdrücklich in der Werbung draufsteht. Wir sollten auch nicht vergessen, dass man mit einem Hollandrad von der Fahrradbörse für 20 € über das Stelvio radeln kann und Leute wie Hans Stücke den Globus mit einem Rad bereist haben, das Listenleser von Edelmanufakturen nicht mal mit der Zange anfassen würden. Das alles ist gelebte Radreiserealität.

Gleichzeitig gibt es beliebte Manufakturen, die einen guten Ruf genießen, aber nicht alle (potenziellen) Kunden über Typik und Service glücklich sind (velotraum gehört auch dazu). Das kann schnell zur Ausschlusswertung führen, die unberechtigt sind und mit Eitelkeiten der Bewerter zusammenhängen. Am Ende gibt es verschiedene "Influencer", die alle ihre eigenen Favortienlisten führen. Das schafft nur noch mehr Desorientierung. Immerhin bieten Velomagazine auch immer wieder Testreihen an, bei denen meistens gleichwertige Räder verglichen werden (also etwa gleiche Preisklasse). Sowas macht schon deswegen Sinn zu studieren, weil sich die Konditionen, Räder und Hersteller immer wieder ändern, anders positionieren usw. Fixe Listen altern schnell, heute weit mehr als früher. Ein Radhändler hat mir mal erzählt, dass er die Fahrradwware des Vorjahres nicht mehr los wird, weil alle immer das neuste haben wollen, selsbt wenn es nur Nebensächlickeiten sind (Farben, austauschbare Teile usw.).

Ein gutes Beispiel Diskrepanz war mal Guylaine, die begehrte Randonneure herstellten, aber immer wieder durch sehr schlechten Service ihre Marktgrundlage vernichteten. Es gab Radler, die die Mängel trotzdem auf sich nahmen, um das begehrte Rad zu bekommen. Noch heute gelten Räder aus diesem Stall als Inbegriff des echten Reiserads. Ein anderes Beispiel wäre Riese & Müller, die mal als Mercedes (besser: Volvo) des Reiserads zählten, aber sich komplett in die E-Bike-Ecke verabschiedet haben. Dort findet man immer noch Räder, die in Tourenkonzepte mit E-Motor passen, vor allem mit Kindern. Darf man die wegen der ausschließlichen E-Bikes auf die Liste setzen oder jammern dann diePursiten, das sind doch keine Räder?

Deine Forderung nach einer Liste setzt bereits Wertungen voraus. Das geht gar nicht, denn man kann allenfalls Listen nach objektivierbaren Kriterien erstellen (z.B. Manufakturen mit max. Anzahl von Mitarbeitern, max. Jahresumsatz usw.), sonst kommt man auf die Influencer-Schiene mit Geschmackswertungen. Wie schon aus dem Vorgesagten folgt, besteht Zuverlässigkeit aus verschiedenen Faktoren wie technischer Standard, Verarbeitungsqualität der Komponenten und Service, sodas man also auch unterschiedliche Dinge getrennt werten müsste.