Juli 2021: Skagerak-/Kattegat-Umrundung

von: joeyyy

Juli 2021: Skagerak-/Kattegat-Umrundung - 23.08.21 23:08

Eigentlich… Eigentlich wollte ich meine Freundin Carla besuchen. Sie wohnt in der Nähe von Göteborg. Normalerweise fährt von Kiel aus eine Fähre oder ein Flieger fliegt von Irgendwo in Deutschland schnell und billig.

Aber das will ich dieses Mal nicht. Ich will mit dem Rad nach Göteborg und da ich noch nie (bis auf einen Kurzbesuch im Winter und einen Marathon in Stockholm) in Skandinavien war, passt das gut. Dann fahre ich eben über West-Dänemark, Süd-Norwegen und Südwest-Schweden nach Göteborg und von da über Ost-Dänemark wieder zurück nach Deutschland.

Als ich meinen Söhnen das erzähle, berichten sie mir von meiner Abneigung gegen Urlaub in Dänemark, was für mich in der Tat zu der Zeit, als meine Kinder noch klein waren und alle nach Dänemark in den Familienurlaub wollten, irgendwie ein No Go war. Aber nun – Kinder dürfen erwachsen und Erwachsene noch erwachsener werden. Was soll ich sagen? Dänemark hat mir auf dieser Reise am besten gefallen.

Das liegt wohl auch daran, dass ich offensichtlich nur die stark bevölkerten Teile Norwegens und Schwedens befahre. Norwegen enttäuscht mich. Reiches Land, reiche Leute. Öl und Gas und Fische – alles Schätze, für die die Leute nicht viel arbeiten müssen, die aber dennoch reich machen. Und gefühlt ziemlich arrogant. Damit sind natürlich auch die Lebensmittel, Hotels und vieles andere in Norwegen teuer. Macht mir selbst jetzt nicht viel aus, aber Norge ist kein Land für alle.

Wahrscheinlich muss ich irgendwann nochmal weiter in den Norden, um die Natur Norwegens und Schwedens zu erkunden.



Ach, ich genieße meine Reise – egal wo ich gerade bin. Das Wetter ist die kompletten drei Wochen, die ich unterwegs bin, absolut genial. Warm, trocken, sonnig. Während Deutschland einen echt verregneten Sommer erlebt, kann ich drei Wochen Genußradeln an Skagerak und Kattegat erleben.

Ich denke nach auf dieser Reise. Viel.

Ich frage mich zum Beispiel, was denn Gerechtigkeit ist. Normalerweise können mich Ereignisse in meinem Leben nicht allzusehr motivieren, richtig emotional zu werden. Nur wenn ich mich ungerecht behandelt fühle oder wenn ich große Ungerechtigkeit im Lande sehe, dann oszillieren meine Gefühle stärker als normal.

Und bevor ich überhaupt über Gerechtigkeit nachdenken kann, frage ich mich, wie wir Menschen überhaupt auf dieses Wort gekommen sind und zwar mit dem Begriff dahinter. Ich stelle mir vor, wie ein paar Menschen vor ein paar tausend Jahren ums Lagerfeuer saßen und das die Geburtsstunde des Begriffes und des Wortes „Gerechtigkeit“ war. Als erstes muss doch so ein Gefühl da gewesen sein, so ein Ungerechtigkeitsgefühl. Ich schätze mal, dass es ohne ein Ungerechtigkeitsgefühl kein Nachdenken über Gerechtigkeit gegeben hätte. Wenn alles gerecht wäre, gäb’s wahrscheinlich den Begriff gar nicht. Genauso wie Krankheit. Wenn alle gesund wären, gäb’s den Begriff der Gesundheit nicht, weil es ja keine Krankheit gäbe. Egal.

Ich schaue abends im Netz nach und lerne, dass die Sprache, so wie ich mich auf dem Rad fragte, erst vor rund 30.000 bis 40.000 Jahren entstand. Nicht lang her, wenn wir die Evolution der Lebewesen und sogar der Menschen zeitlich denken.

OK – bringt mich aber mit meiner Frage nicht weiter: Wie entstanden abstrakte Begriffe?

Die Antwort ist offensichtlich nicht ganz klar. Frühe Sprachen kannten wohl noch nicht Grammatik, einzelne Wörter und somit zusammengesetzte Sätze. Stattdessen gab es Lautkompositionen, ähnlich Gesängen, die einer Person in einem bestimmten Zusammenhang zugeordnet wurden. Im Laufe der Zeit verfeinerten sich den Linguisten zufolge die Gesänge und es bildeten sich einzelne Wörter. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Formulierung von Geräuschen mit Hilfe von Sprache (Eine Kuh „muht“, eine Krähe „kräht“, usw.).

Aber – wie das in der Wissenschaft häufig der Fall ist: Das ist lediglich eine Hypothese. Eine einleuchtende zwar, aber eine nicht zu beweisende.

Egal, ich sitze in Gedanken mit einer Gruppe Neandertaler am Feuer, wir können lediglich über holistische Gesänge kommunizieren und ich fühle mich ungerecht behandelt, weil ich ein Reh erbeutet habe, aber beim Essen verteilen der Stärkste als erster zubeißen darf. Ich komme erst als fünfter dran und kriege nur ein wenig Haut. Ich springe auf und brülle irgendwas (zum Beispiel „Fukkjuhidiot“), was die anderen – empatisch wie sie sind – als „Das ist jetzt echt ungerecht, ey!“ empfinden. Und jedesmal, wenn sich jetzt jemand aus unserer Gruppe ungerecht behandelt fühlt, brüllt er das gleiche wie ich. Voila. Und wenn das alle brüllen, gibt es eine Revolution. Oder eine Diskussion, bis alle einen Gesang für Gerechtigkeit einstimmen. Und damit wäre der Grundstein für das Wort und den Begriff „Gerechtigkeit“ gelegt. Oder so ähnlich.

In jedem Fall waren immer erst Gefühle da, dann intuitive ganzheitliche Äußerungen (bei den Menschen auf dem Appenin wahrscheinlich mit viel Mimik und Gestik) und irgendwann verfeinerten und sezierten sich diese Äußerungen zu einzelnen Wörtern.

Ich freue mich mal wieder über ein wenig mehr Weisheit.

Man sagte mir, dass es verboten sei, in Dänemark wild zu zelten. Dafür gibt es viele Shelter. Das sind Plätze, die für Wanderer und Radfahrer vorbehalten sind, einfach ausgestattet und manchmal mit Plumpsklo und Wasserhahn aufwarten. Ich übernachte in der ersten Woche, in der ich es bis Hirtshals im Norden Dänemarks schaffe, zumeist in diesen Shelters und lerne dabei eine Menge toller Leute kennen. Da die Skandinavier zumeist echt gutes Englisch sprechen, ist Kommunikation überhaupt kein Problem.

Die Westküste Dänemarks ist zwar sehr touristisch geprägt und es gibt überall diese Ferienhäuser in den Dünen und Campingplätze mit Wohnwagen und -mobilen. Dennoch bietet diese Küste auch einsame Stellen und landschaftlich mit die schönste Dünenlandschaft, die ich bisher kennen lernen durfte.

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Weitere Bilder gibt es hier: www.gondermann.net (klick)

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Fortsetzung folgt...