Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen Teil 2 - 07.02.23 19:49

Wir starten früh am Morgen, es ist im schattigen Tal noch kühl. Die letzten Kilometer auf der Straße hoch zur Staumauer des Lac de Mauvoisin ist kaum Autoverkehr. Kurz unterhalb der Staumauer beginnt ein langer Tunnel. Mitten im Tunnel befindet sich ein Kreuzung mit einem Abzweig zur Staumauer. Diese bietet zu beiden Seiten beeindruckende Aus- bzw. Tiefblicke. Besonders fasziniert mich eine historische Ansicht des Hochtals, das hier unter dem Stausee begraben liegt.









Die folgende Tunnelpassage zieht sich lange hin, nur selten gibt es die Möglichkeit für einen feuchten Tiefblick auf den Stausee. Am Tunnelausgang erreicht uns endlich die Sonne, wir genießen ein zweites Frühstück in der wärmenden Sonne. Die Sonne bringt auch die weiter oben liegenden Gletscher zum Schmelzen. Der Rückgang des Permafrostes führt offenbar zu zunehmendem Stein- bzw. Einschlag. Das durch Sedimente dunkel gefärbte Gletscherwasser mischt sich auf interessante Weise mit dem Seewasser. Hier befindet man sich hoch über dem See, die Piste führt dann allerdings wieder bergab, bis man am Ende des Stausees wieder auf dem Niveau der Staumauer angekommen ist. Nun schraubt sich die Piste am linken Ufer nach oben. Hier werden wir von einigen E-Bikern überholt, die auf dem Weg zur Cabane de Chanrion sind.









Wir biegen allerdings bald nach rechts von der Hüttenpiste ab, überqueren den Bach und pedalieren bis zu einer verfallenen Alm. Hier beginnt die Schiebepassage rund 600 Höhenmeter bis hinauf auf 2797 m ins Fenetre de Durand. Wir befestigen die Lenkerrolle sowie das Zelt am Rucksack. Dieser wandert nun auf den Rücken. So beladen wuchten wir nun die unbepackten Räder den Berg hinauf. Der erste steile Aufschwung ist mühsam zu begehen, zum Glück wird es im oberen Drittel deutlich flacher. Hier können wir für das Alibifoto sogar kurz aufsteigen und ein kurzes Stück fahren. Letztlich ist der Anstieg aber nahezu komplett zu schieben, das Rad muss aber an keiner Stelle getragen werden. In umgekehrter Richtung wäre der Wanderweg wohl komplett fahrbar. Die Schiebearbeit ist aber angesichts des Panoramas trotz der Anstrengung ein alpiner Genuss. Das Fenetre Durand ist schon ein sehr imposanter Übergang in herrlicher Landschaft.











Auf der Passhöhe angekommen machen wir uns für die Abfahrt startklar. Von Italien ziehen dunkle Wolken herauf, da ist es kein Fehler, wenn man sich nicht mehr auf dem Grat der Passhöhe befindet. Der obere Teil der Abfahrt ist gut fahrbar, das anschließende Steilstück schieben wir aber zur Sicherheit. Kurz vor der Alm Thoules erwischt uns ein Regenguss, den wir an der Alm abwettern können. Bald darauf reißt es wieder auf. Statt den direkten Weg ins Tal hinunter nach Ollemont nehmen wir den Höhenweg auf der westlichen Talseite. Hier verläuft hoch oberhalb des Tals eine kilometerlange Wasserleitung, die von einem schönen Trail begleitet wird. Wir müssen nochmal einige Höhenmeter hochschieben, um auf das Niveau der Wasserleitung zu gelangen.









Dann aber geht es kilometerlang auf ebenem Trail am Hang entlang. Eine kurze mit Drahtseil gesicherte Stelle ist eine willkommene Abwechslung. So genießen wir die schöne Stimmung im Abendlicht hoch über dem Tal. Bald nach einer Engstelle, die durch eine Felsspalte führt, campieren wir auf einer einsamen Wiese, wo sich sprichwörtlich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Der junge Fuchs ist überhaupt nicht scheu, er ist sogar sehr neugierig und fast anhänglich. Zur Sicherheit nehmen wir die Schuhe mit ins Zelt, offenbar bin ich durch einige Berichte anderer Radreisender traumatisiert… ;-)

Beim abendlichen Kochen hören und sehen wir noch einen Felsabsturz in der Ostflanke des Mont Velan. Die halbe Nacht hören wir immer wieder weitere Steine und Felsen herunterkollern. Auch hier nagt offenbar der Klimawandel bzw. der zurückgehende Permafrost an den Felswänden.