Re: Geschottert-geschüttelt-gerührt: Savièse-Nice

von: Biotom

Re: Geschottert-geschüttelt-gerührt: Savièse-Nice - 23.12.21 20:53


Tag 7: Lago Foiron – Sommet des Anges – Cervières – Les Fonts
Karte

Ein weiterer wunderschöner Tag beginnt.





Klarer Fall: nach dieser wilden Nacht muss der Lago Foiron ein bisschen ausruhen lach





Mein Morgenprogramm tönt anstrengend für so wenig Schlaf: zuerst auf den Colle Bercia, dann an der Cima Saurel vorbeischrammen, rüber zum Col du Gondran (Est), rauf auf den Sommet des Anges, und runter auf den «richtigen» Col du Gondran.





Was so anstrengend tönt, ist in Wahrheit ein reines Vergnügen, denn die Höhenunterschiede sind klein und die Ausblicke gross.
Richtung Norden erkennt man den Chaberton, und Richtung Süden den Pic de Rochebrune (beide jeweils links im Bild):







Und die Wege? Die sind ein Traum verliebt









Beim Col du Gondran (Est) nimmt die Wandererdichte dramatisch zu, und ich muss ein bisschen abpassen damit ich solche Bilder schiessen kann. Das herzliche «Ciao» oder «Salve» wird durch ein eher steifes «Bonjour» abgelöst. Meine anfänglichen «Salut»-Versuche lösen leichtes Stirnrunzeln aus – mein Gott, die Franzosen können recht verklemmt sein lach





Beim Aufstieg auf den Sommet des Anges bewundern ein paar Wanderer meine Fitness, was mir die Franzosen natürlich gleich wieder unglaublich sympathisch macht zwinker
Den Schafen ist meine Fitness egal; der Hirtenhund überlegt rasch, ob er sie testen soll, lässt es dann aber bleiben.





Bei der Bergstation des Sessellifts frage ich nach Flüssigkeit, und der freundliche Mitarbeiter verrät mir eine Quelle mit sehr leckerem Wasser.
Ich quatsche noch ein bisschen mit dem Hirten. Der hat auch ein Gravelbike, findet es aber "nul". Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist ihm mal ein Lenkerhörnchen abgebrochen – das ist natürlich eine unschöne Erfahrung, und ich hoffe inständig, dass mich solches Ungemach in der nun folgenden Abfahrt verschont.





Les Ecrins und das Briançonnais:







Und dann fetzt es!







Die Abfahrt ist steil und heiss und lang, und gegen das Ende hin höre ich entsprechend schon wieder ein Nzzzg-nzzzg-nzzzg (am Abend stelle ich übrigens fest, dass die Pads der Vorderbremse total hinüber waren...).

Auf dem Weg hinauf nach Cervières kommen mir unzählige Velofahrer entgegen, und die Autos und Töffs überholen teils absolut haarsträubend. Ein Autofahrer am Strassenrand klärt mich auf: Ironman d'Embrun, Velostrecke über den Izoard, Einbahnbetrieb. Ich solle aber ruhig fahren, kein Problem. Finde ich zwar nicht ganz, aber stundenlang an der Hitze warten ist auch keine gute Option.

Ich komme lebend in Cervières an und esse und trinke üppig im Hotel-Restaurant-Bar de l'lzoard.





Dann muss ich entscheiden: Col de Péas oder Col de l’Izoard?
Der Péas sieht nach einem anspruchsvollen Wanderpass aus, aber technisch ist er wohl nicht allzu schwierig, denn er ist bei Torino-Nice als Alternativroute zum Izoard drin – allerdings als “Fred Wright Tribute“, das heisst es könnte auch ein bisschen anspruchsvoll sein. Sicher sind jedenfalls 600 Hm Raufschieben über einen Wanderweg.
Den Izoard muss ich wohl nicht weiter vorstellen; von der Casse Déserte träume ich seit vielen Jahren. Allerdings habe ich auch seit Jahren Albträume vor stark befahrenen Strassenpässen…

Es ist heiss, ich bin müde vom Nzzzg-nzzzg-nzzzg (dem der Nacht), und ich spüre meine Intuition nicht so gut. Hm, Péas, aber mit Übernachtung im Refuge vor dem Pass. Anruf Refuge, ausgebucht... Also doch Izoard! Ich radle los und lichte mal Cervières ab:





Nachdem mich auf 500 m Strecke 500 schwere Motorräder überholt haben, kehre ich um. Péas, mon amour verliebt

Der Aufstieg in das Vallée des Fonts de Cervières ist schön und sehr heiss.







Im Tal oben sind Berge von einer Sanftheit, die ich so noch nie gesehen habe verliebt











In Les Fonts frage ich beim Refuge nochmals wegen Übernachten. Es hätte noch was im Massenlager (das hatten sie mir am Telefon nicht gesagt), oder Zelten mit Benützung Toilette-Dusche-Strom für 5 Euro. Gute Sache! Es hat aber kein Wifi und kein Netz dort oben, und so rufe ich rasch vom Hüttentelefon aus zu Hause an um zu sagen, dass ich heil angekommen bin.

Es herrscht ein ziemlicher Trubel dort oben: Deutsche Wanderer mäkeln was rum weil ich mein Velo gut sichtbar vor der Terrasse abgestellt habe, sparsame Weitwanderer suchen den besten Platz für ihr Zelt, und die Tageswanderer geniessen noch ein paar schöne Momente in diesem kleinen Paradies. Der Wirt sagt, dass seit Corona die Schweizer Biker ausbleiben, aber der Laden scheint mir trotzdem gut zu laufen.
Ich esse mit Solowanderern im Refuge, und es wird ein lustiger Abend. Alle stürzen sich auf den Salat, und auch die Kohlenhydrate sind heiss begehrt. Zwei der Wanderer gehen morgen auch über den Péas. Wir vereinbaren, dass jeder ein Rad des Cutthroats trägt lach

Zu Beginn der Nacht ziehen teils starke Windböen auf, und ich mache die Erfahrung, dass das Gestänge meines Zelts einen ziemlichen Flex draufhat. So liege ich denn todmüde auf meiner Matte und strecke stabilisierend meine Arme nach oben – genau das, was ich mir nach der letzten Nzzzg-nzzzg-nzzzg-Nacht wünsche omm





Das Zelt ist übrigens ein Nemo Hornet 2P. Wieso Hornet? Wahrscheinlich weil man verdammt horny aufeinander sein muss, um sich da zu zweit reinzuquetschen… Aber bei einem Gewicht von unter einem Kilo will ich mich keinesfalls beschweren! Für meine Unternehmung ist das Ding jedenfalls ideal.