Re: Wo’s Wassr koschdbar isch - Alb-Donau-Kurier

von: veloträumer

Re: Wo’s Wassr koschdbar isch - Alb-Donau-Kurier - 04.02.19 17:12

ALB-2018-06 Bad Urach – Münsinger Alb – Schmiechtal – Hochsträß – Illertal – Eschachtal

Fr 1.6. Stuttgart – Echterdingen – Stetten – Plattenhardt – Aichtal – Neckartailfingen – Altdorf – Metzingen – Bad Urach
59 km | 700 Hm

Sa 2.6. Bad Urach – Grabenstetten – Römerstein-Böhringen – via ehem. Truppenübungsplatz – Böttingen – Gundershofen – via Radweg Schmiechtal – Schelklingen – Sotzenhausen – Papelau – Steinenfeld – Ringingen – Erbach – Donaustetten – Illerkirchberg – Senden (Waldsee) – Vöhringen – Illerrieden – Regglisweiler – Weihungszell – Hörenhausen – Wain – via Waldpiste – Weitenbühl – Gutenzell – Erolzheim – Tannheim
128 km | 1160 Hm

So 3.6. Tannheim – Aitrach – Aichstetten – Ottmannshofen – Hofs – Elemeney – Frauenzell – Winterstetten – Kreuzthal – Eschacher Weiher Parkplatz (1040 m) – Eschach – Wegscheidel (895 m) – Eschachberg (980 m) – Wiggensbach – Krugzell – Reicholzried – Bad Grönenbach – Memmingen || per Bahn || Stuttgart
94 km | 1005 Hm

Wer sich noch erinnert – der Heißsommer 2018 begann nicht sehr stabil, das späte Frühjahr war regenreich, Unwetter gab es europaweit. So drohte auch diesmal Ungemach, als ich noch abends mich entschloss, in die Alb einzufahren, ähnlich das Südziel Eschacher Weiher vor Augen wie in der vorigen Tour in 2013. Das Donnerwetter ereilte mich knapp vor dem Uracher Camping, nachdem ich zunächst noch überlegte, die Therme zu besuchen. Gleichwie, wäre das Gewitter danach vorbei gewesen wie auch tatsächlich nach der Verkostung der hausgemachten Maultaschen im Camping-Bistro. Die Platzmiete des Campings Pfählhof hatte sich gegenüber meinem letzten Besuch fast verdoppelt (14,80 €) – die Alb hält Anschluss an den deutschen Wohlstandsschub, der sich mir immerzu verbirgt. Es koschda halt, mit so viel Wasser erst recht.

Das geflügelte Wort vom reinigenden Gewitter zeigte faktische Wirkung: Himmelfrei-zu-Blau zwei volle Tage lang! Die nassen Gräser und aufsteigender Nebel machten mächtig Stimmung. In Grabenstetten auch noch ein Dorfladen mit Kaffeeautomat. Das ist auf der Alb schon mal sehr viel Luxus. Zum Glück war Samstag, sonntags kann es Mittag werden, bis Essbares zu finden ist. Koschda dann nix, aber gibd au nix.

Auch die Felderebenen können schön sein. Nach Römerstein ist hübsch. Dort wollte ich ja eigentlich auf den Camping, aber hätte ich tags zuvor früher die Koffer packen müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette. Der Spruch steht mir zu, schließlich ist Fahrradkette mein Metier, mein Laufbalken, mein Hamsterrad. In Römerstein ist man dem Himmel näher, denn es liegt auf gut 800 m, der gleichnamige Berge nochmal 70 m höher, die höchste Erhebung der Mittleren Alb, sprich Kuppelalb. Wie Kuppel schon sagt, kein Berg, sondern unscheinbare Kuppe. Ich habe Mühe, den höchsten Punkt überhaupt zu entschlüsseln.

Nun folgen Radwege, teils Schotter, später weitgehend asphaltiert auf Straßen des ehemaligen Truppenübungsplatzes Münsingen. Parallel zur anfänglichen Schotterstrecke führt auch eine Straße, die ist für Radler wie auch Fußgänger verboten zu nutzen. Dass ausgerechnet auf der Militärstraße Munitionsreste liegen könnten, muss ich bezweifeln. Insofern nicht klar, warum gesperrt. Andere Lebensgefahrbereiche werden gar von Schäfern beackert. Wenn dumme Schafe nicht Minen zum Sprengen bringen können, warum dann ich, der wendige Fahrradfahrer, der Schlangenlinien nachzeichen kann? Ist der Velopedist noch dümmer als ein Schaf? – Unwidersprochen aber: Die Radroute ist eine Empfehlung, spätestens ab dem Wanderparkplatz südlich von Zainingen (wo ein Knick im rechten Winkel zu fahren ist, nicht zu verfehlen durch die Verbotsschilder in andere Richtungen; von Zainingen kommend kann man Schotter vermeiden). Die frühere Kampfspielwiese besteht aus flächiger Wacholderheide, von Schafen beweidet, Autos trauen sich nur wenige hin. Später, der Gefahrenzone bereits im Rücken, etwas Allee-Charakter.

Alb ist nicht nur poröser Kalk, sondern auch wertiger Marmor. Das lerne ich in Böttingen. Der rot gemaserte Marmorstein wurde u.a. am Neuen Stuttgarter Schloss verarbeitet. Wer weiß denn sowas? In Marmor geritzt auch die heimischen Opfer des Ersten Weltkriegs. Böttingen im Gedenken unter der Schiller-Linde. Gut, dass der Truppenkampfplatz der Natur übergeben wurde. Das Gedenken hat gelehrt. Eine eigenwillige Hausuhr hält Maß und befiehlt unsoldatische Weiterfahrt.

Es geht abwärts, nicht mit der Laune, sondern mit Rad. Wald und Felsen huschen vorbei, auch schluchtig bis alpin. Die Auentalöffnung bringt ein Schmuckstück hervor, das Schmiechtal. Ich war wohl mal in unteren Teilen da, doch die Erinerung ist verblasst. Radweg ist vorhanden, zuweilen Schotter, Straße geht auch. Auf dem Radweg aber die bessere Fotoperspektive auf Hütten, die Perle des Schmiechtals mit Schloss Justingen am Hang, freie Kalkfelsen, Heidehänge – ein Bilderbuchblick, ein „Albtraum“. Ich darf addieren: grünes Schlingpflanzenwasser, Mühlradromantik, Bahnbrücklein mit Züglein, Torbogenbaum, Türmchenkapelle in Terracottafarben. Ich bin gerührt und schäme mich, als Grünmännchen den Schatz nicht früher gehoben zu haben. Das Idyll endet in Schelklingen – hier muss das Geld verdient werden, Arbeit in einer Zementfabrik zum Beispiel.

Noch bevor ich zum Höhenzug Hochsträß aufsteige, flöte ich auf uralt: 40000 Jahre nicht verwester Geierknochen, von einer Venus dargeboten. Was genau, erfährt man nur Sonntagnachmittag im Schelklinger Hohlfelsen. Weniger bekannt der reizvolle Übergang über die Sotzenhauser Heide. Wacholder und Orchideen, Schmetterlinge und Pusteblumen, Wanderrevier, Ort für Verweilzeit. Dann wartet die Donaukultur, Erbach ziert Türmchen- und Schlossarchitektur. Als Eselsbrücke: Erbach ist ehrbar.

Ich bin in Eilzeit für Verweilzeit, wieder der Baggersee bei Senden. Die Pause hat mich erholt und ich wechsle erneut das Illerufer, dort ins hügelige Hinterland. Es ist nicht so anstrengend wie in den Nockbergen bei Aitrach, aber daher kamen sie vor 300 Jahren – nach dem Ende des 30-jährigen Krieges mussten die Protestanten die Kärntner Heimat verlassen, wollten sie nicht zum katholischen Glauben konvertieren. Wain lag im Bereich der Freien Reichsstadt Ulm, die sich dem Reformismus angeschlossen hatte, aber einen riskanten Alpenmarsch entfernt – es waren ja andere Zeiten noch, die Wege und Straßen rumpelten, niemand hätte damals Fahrrad fahren wollen. Neue Heimat für Österreicher, Emigration in solcher Richtung war mir auch neu. Obs die heutigen Österreicher selbst vernommen haben und verdenken wollen, was es uns lehrt? – Modelliert wurde der Flüchtlingszug detailreich und gelungen im Exulantenbrunnen.

Weiter voran stoße ich ungeplant auf Waldpiste. Die ist recht tief, auch mal grob und bergiger als die Straßen zuvor. Es wird spät, zu spät für den anvisierten Camping in Aitrach. Also Notbremse in Erolzheim für das Abendmahl. Radeln in die kühle Nacht, kaum freie Flächen, vor dem Umfallen noch ein Wiesenacker in Rauschweite der Straße. Aber nachts fährt hier weniger als auf der Alb. Nur das oberschwäbische Glockengeläut lässt den Sonntag laut erwecken – der Göttliche muss ein Frühaufsteher gewesen sein. Aitrach hätte sich wohl gelohnt, der Ort wirkt sympathisch, kleiner Sonntagsbäcker am noch frischen Morgen.

Ich fahre die schon oben erwähnte alternative Hügelroute zum Fuße des Eschachtals. So ausgelaugt sind doch die Kräfte, dass eine Oma an mir vorbeizieht. Ich könnte ja auch schon Opa sein – also passt schon. In Winterstetten gibt es Radtaschen kostenlos, alle Formate und kunterbunt, liegen und hängen vor einem geschlossenen Laden. Ich vermerke, auch geschenkt ist der Nutzen manchmal klein. Selbst das kleine Täschlein, das ich mitnahm, brauchte ich bis heute nicht. Das Eschachtal glitzert und je schwerer der Berg, desto leichter tue ich mich. Vorfreude auf ein Bad im See? Die Rückfahrt nach Memmingen ist wieder neu. Über Eschachberg ein mühevolles Schleichen am Hang, belohnt von toller Aussicht, Allgäugenuss pur. An der Iller die Frage: Reichen die Kräfte noch bis Memmingen? – Ja, spätestens nach dem Eis vom Herbisrieder Alpenblick-Café läuft es wie auf frisch geschliffenen Kufen. In Summe Alb nur halb – aber alles top wie supi!

Bildergalerie Tour ALB-2018-06 (36 Fotos, bitte auf Bild klicken; Bildstrecke quasi ohne letzten Tag, endet bereits in Aitrach):



Fortsetzung folgt