Re: Ehem. Bahnstrecke Spoleto - Norcia

von: veloträumer

Re: Ehem. Bahnstrecke Spoleto - Norcia - 01.12.20 13:07

In Antwort auf: Cruising
Ich behaupte mal, mindestens 95% aller Radfahrer, die überhaupt Bellagio ansteuern, bauen in ihre Tourplanung die Madonna del Ghisallo ein lach War für uns ein Highlight, und jeder Radsportfan sollte sich das mal gegönnt haben. Dann braucht man die Tunnels auf der Uferstraße auch nicht.

Dem würde ich doch widersprechen wollen, zumindest aus der Sicht von Radtouristen. Mindestens 80 % unter diesen wird das am Ar... vorbeigehen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:

1) Madonna del Ghisallo ist eine eigenartige Mischung aus katholischer Religiösität und Rennradfahrerkult (vielleicht auch noch Kitsch). Beides steht nicht im Fokus von Radreisenden - zumindest nicht beo Nicht-Italienern. Dass solche Orte auch zunehmend aus symbolischen und touristischen Gründen heute mehr besucht werden als früher ist zwar richtig, anderseits steigt aber auch der Anteil eher radsportferner Radtouristen, die das nicht machen. Das gilt auch für andere Pilgerorte etwa von Fausto Coppi oder Marco Pantani - i.d.R. gar nicht bekannt außer in der Rennfahrgemeinde oder denen, die sich da zugehörig fühlen.

2) Die Radtouristen suchen auf Touren an den Oberitalienischen Seen das, was sie unten weit besser finden: Steigungsarme, schöne Uferrouten mit Bergen umher. Auch die Seen lassen nahezu alle steigungsarm miteinander verbinden. Liegen die Seen abseits oder höher, sind sie auch entsprechend weniger von Radtouristen besucht (Ledro-, Idrosee). Für Madonna del Ghisallo muss man über 550 Hm drauflegen, ohne dass man damit eine neue oder kürzende Verbindung erhält. Dabei ist es in Seerundkurse schwer einzubinden - also ein echtes "Extra".

3) Die radtouristischen Bestrebungen der Region gehen darauf entsprechend gar nicht ein. Dort stehen die radwegeigenen Routen in Verbindung mit Schiffslinien im Mittelpunkt, im Zweifel wird der innere Uferschenkel ganz umfahren durch eine direkte Route zwischen Lecco und Como mit den schon erwähnten kleineren Seen.

4) Ein guter Teil der bergaffinen Radtouristen in der Region sind Mountainbiker oder Gravelbiker. Deren Eldorads liegen eher um den Gardasee, Tremalzo oder Monte Baldo habe in dieser Klientel eher Kultstatus als ein Kapelle in einer doch eher betriebigen, straßenaffinen Umgebung.

5) Die Seeuferroute ist trotz der Tunnels dort durchaus attraktiv, zudem ist Lecco - Bellagio der verkehrsärmste Teil am Seeufer, wenngleich es am Ostufer wohl gute Möglichkeiten gibt, den Verkehrsachsen selbst als Radler zu entgehen. Zur Attraktivität gehören auch kleine, frei zugängliche Strände ohne Rummel, derer es zwischen Bellagio und Como gar keine gibt wegen der Topographie und Privatbesitz und zwischen Como und Sorico allenfalls mal ein paar überfüllte Lidos. Ostufer kann ich nicht einordnen, kenne dort nur wenige Kilometer.

6) Meine eigene Erfahrung ist die, dass ich bei drei Besuchen des Comer Sees vermutlich zu keinem dieser Besuche überhaupt um die Kapelle wusste habe. Das kam erst später und mag banausenhaft sein, zeigt aber, wie wenig bekannt das außerhalb einer Szene ist und wieviel andere Attraktionen umher warten. Zu keiner Zeit hätte es auch in mein Tourkonzept gepasst. Zwar werde ich Ghisallo immer noch im Auge behalten, aber ein "must have" ist es für mich nicht - da habe ich dringlichere Ziele und Ideen, sogar in der Nähe.