von: DieterFfm
Über Hunsrück und Eifel an die Küste - 18.10.13 22:09
Es folgt ein ziemlich ausführlicher Bericht meiner diesjährigen Radreise. Wem das zu viel Text ist, kann sich ja mit den Bildern begnügen...
1.Tag Nach Wahlenau: Rhein und Hunsrück
Dieses Jahr ist es ziemlich unsicher, ob ich meinen Radurlaub starten kann, ob ich zum geplanten Termin starten kann und wohin ich überhaupt fahre. Und schuld daran ist das Wetter.
In 2013 hatten wir einen langen Winter, noch bis Mitte April konnte ich wegen kaltem Mistwetter kaum Tagestouren fahren. Dann war endlich für 3 Wochen normales Wetter, bis Anfang Mai eine weitere Phase mit heftigem Sauwetter einsetzte.
Mein Tourenplan stand bereits seit Wochen fest: in die Dolomiten sollte es gehen. Sogar Schweizer Franken hatte ich mir schon besorgt. Doch eine Woche vor dem Start wurde mir klar, dass ich auch einen Plan B brauchte. Es sollte heute und in den nächsten Tagen in den Alpen heftigst schneien, mit Überschwemmungen, Murenabgängen und unpassierbaren Straßen. Bei solchem Wetter konnte ich unmöglich in die Berge fahren. Und als letzten Freitag auch noch die Etappe des Giro d’Italia über das Stilfser Joch abgesagt wurde, weil der gerade freigemachte Pass unter einem Meter Neuschnee zugeschüttet lag, war mir klar, dass ich ein zweites Ziel brauchte.
Selbst hier in Frankfurt war es unterirdisch kalt. Wo sollte es am wärmsten sein? Im Nordosten Deutschlands. Weil mein Bruder und ich letztes Jahr praktisch von Usedom geflüchtet waren und ich mir die Insel noch mal in Ruhe anschauen wollte, stand fest: Plan B geht wieder nach Usedom, diesmal über die Werraquellen, an die Saale, die Elbe, nach Brandenburg, an die Oder, usw.
Und vorgestern war der Wetterbericht eine einzige Katastrophe: Im gesamten Alpenraum, im gesamten Osten und Süden sollte es ab heute (Donnerstag) zwei- bis dreihundert Liter Wasser auf den Quadratmeter regnen. Das wäre eine Wetterlage für ein Jahrhundert-Hochwasser, schlimmer als 2002.
Also brauchte ich noch einen Plan C: wo sollte es am wenigsten gießen? In den Niederschlagskarten bei wetterzentrale.de sollte es in ganz Deutschland regnen, allerdings im Westen nur an einem Tag: heute und / oder morgen. Also hatte ich mir vorgestern (Dienstag) Abend auf die Schnelle eine Tour in den Westen zusammengestellt: in den Hunsrück (den Hunsrück-Radweg wollte ich schon vor zwei Jahren mal fahren), dann in die Eifel, das Hohe Venn (der Vennbahn-Radweg war laut Presseberichten gerade fertiggestellt.), an der Maas abwärts ein Stückchen holländische Radwege genießen, dann etwa am nördlichen Rand der Mittelgebirge nach Osten, südlich am Harz vorbei an die Saale, und dann wie im Plan B, nur umgekehrt, zurück an den Main.
Zusätzlich hatte ich noch eine weitere Aufgabe zu erledigen: ich wurde gefragt, ob ich zu Hochzeit meiner Ältesten als Brautvater ein paar Wort sprechen wollte. Natürlich war ich sofort dazu bereit, allerdings mangelte es mir an Ideen bezüglich des Themas. Auch wollte ich nicht irgendeine Internet-Rede halten, es sollte schon etwas selbst zusammengestelltes sein. Viele Wochen vergingen und immer konnte ich die Lösung des Problems auf meine Radreise verschieben, da sollte ich genügend Zeit haben, mir etwas besonders auszudenken. Hoffentlich klappt’s.
Jetzt ist es Donnerstagmorgen 5 Uhr, der Wecker hat gerasselt, ich stehe auf und bin immer noch im Unklaren, wohin und ob ich überhaupt fahren konnte, oder erst morgen oder übermorgen? Zunächst ist es draußen trocken, das ist ja schon mal positiv. Dann starte ich den PC und schaue mir die Niederschlagskarten an. Im Westen, also Hunsrück und Eifel, soll es morgen regnen, und zwar nur morgen. Den einen Tag Regen kann ich schon verkraften. Und wie es dann weitergeht, steht sowieso in den Sternen, wenn ich erst mal unterwegs bin, muss ich Regentage halt nehmen wie sie kommen.
Also wird es Plan C!
Ich mach mich fertig, es wird kurz gefrühstückt und die letzten Sachen sind schnell verstaut. Gegen 6:10 Uhr schaffe ich die Packtaschen vor die Tür. Die Nachbarin geht gerade zur Arbeit und wünscht mir noch eine gute Reise. Durch den neuen Packsack, der die Liegematte und den Schlafsack enthält, habe ich immerhin ein Bündel weniger zu verstauen als die letzten Jahre, jedoch ist der Sack zwar leicht, aber enorm groß. Damit wird mein Rad so richtig breit und unübersehbar.
Es sind überraschend viele Leute unterwegs, was wollen die am Feiertag Morgen auf den Beinen? Über die Ostparkstraße und die Flößerbrücke geht’s an den Main. Der hat bereits Hochwasser, das reicht jedoch nicht, um den Radweg zu überfluten. Am Eisernen Steg lümmelt sich eine Gruppe junger Leute auf der Wiese und der Bank davor, die haben wohl die Nacht durchgemacht. Auf der Friedensbrücke haben Strickguerillas die Statue des Hafenarbeiters mit einem ‚I love Ffm‘ Strickpulli „verschönert“. Das musste ich einfach fotografieren, ich fahre schließlich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit dort vorbei.
Weiter geht’s den Main entlang, über die neue Farbwerke-Umfahrung, Richtung Mainz. Langsam kommt sogar die Sonne durch, es ist aber noch reichlich kühl. Zum zweiten Frühstück kehre ich um 8:30 Uhr ins Café Oesterreich in Mainz Kostheim ein, hier mache ich immer Zwischenstation, wenn ich in diese Gegend komme. In Mainz-Kastel geht’s dann auf der mächtigen Brücke über den Rhein. Auch der hat reichlich Wasser. Ich halte mich auf dem Rhein-Radweg in Richtung Bingen. Vor Ingelheim stoße ich auf einen Radler Anfang 70 mit noch mehr Gepäck als ich. Er ist schon seit drei Wochen unterwegs und hat eigentlich keinen richtigen Plan, wo er hin will. Er kommt aus Thüringen und schimpft über dieses Mistwetter. Wenn der wüsste, was laut Vorhersage noch alles kommen soll… Und weil er jetzt einen Platz zum Frühstücken sucht, fahre ich alleine weiter. Sein Tempo war mir dann doch zu gemütlich.
Bis Bingen sehe ich in ein, zwei kleineren Orten Vorbereitungen zum Feiertags-Umzug, und es wird auch immer voller. Man merkt halt, dass der Rhein-Radweg auch bei der einheimischen Bevölkerung sehr beliebt ist.
Hinter Bingen kann ich dann endlich die langen Klamotten ausziehen, dafür beginnt ein Kampf gegen Heerscharen von Mücken, die sich auch denken, vor dem Regen noch mal die Sonne zu genießen. Unterhalb der Burg Rheinstein hat die Freiwillige Feuerwehr einen Grillstand am Radweg aufgebaut. Ich überlege kurz, ob ich mir eine Bratwurst leisten soll, fahre dann aber doch weiter, weil ich mein Mittagessen schon dabei habe und mir die dummen Sprüche der dort bereits pausierenden Tagesradler über mein Gepäck („So viele Sachen wie der am Rad hat, hab ich nicht mal zu Hause“) doch zu dumm sind.
Nur einen Kilometer weiter gibt’s schließlich einen schönen Rastplatz für mich alleine und hier kann ich einer meiner selbst mitgebrachten kalten Bratwürste ohne Kommentare verdrücken. Ein Pärchen aus Holland gesellt sich zu mir, sie sind seit ca. 4 Wochen unterwegs, von Budapest bis kurz vor ihrer Heimat. Meine vorderen Packtaschen sind schon die ganze Zeit heftig am Klappern und ich versuche, mit meinem mitgebrachten Werkzeug, die Schrauben des Frontträgers fester anzudrehen. Das hat leider nur den Erfolg, dass ich jetzt schmutzige Hände habe, das Klappern wird mich die ganze Tour begleiten. Leider gibt’s keine Gelegenheit, die Hände zu waschen. Egal, das muss auch so gehen.
Kurz darauf erreiche ich Niederheimbach, hier biege ich links ab auf den Hunsrück-Radweg. Und sofort geht’s bergauf, so ca. 6% Steigung im Schnitt, manchmal auch bis 10%. Die Straße durch den Ort ist ziemlich eng und zugeparkt, aber im nächsten Ort Oberheimbach ist Sackgasse, für normale Autos ist hier Schluss. Der Radweg aber verläuft weiter auf einem geteerten Wirtschaftsweg durch das wunderschöne Heimbachtal.
Leider finde ich in beiden Orten keinen Brunnen, um mir die Hände zu waschen. Nach etlichen Höhenmetern empfinde ich die schmutzigen Hände dann doch als störend, und als im Graben neben dem Weg ein kleiner Bach fließt, mache ich eine kurze Reinigungspause. Bedauerlicherweise ist der Rand des Seitengrabens von der Nässe der letzten Tage so durchweicht, dass er mein Gewicht nicht halten kann. Ich rutsche ab und falle rücklings in den Graben und kann mich mit den Ellenbogen gerade so abstützen. Beide Füße mit Schuhen und Socken sind nass, die Arme und Beine sind verdreckt. Zum Glück habe ich kurze Klamotten an, Arme und Beine kann ich mit dem Wasser des Bachs schnell vom Matsch befreien, und … endlich die Hände waschen. Ich klettere wieder aus dem Graben. Zum Lufttrocknen der Schuhe am Lenker ist es leider zu kalt, egal, irgendwann sollten sie schon wieder trocken werden. Wenige Minuten später fährt ein Auto an mir vorbei. Wenn mich der Fahrer wie einen Maikäfer rücklings im Graben liegen gesehen hätte, wäre er bestimmt vor Lachen vom Weg abgekommen und ins Tal gestürzt.
Eine gute Stunde nach dem Abzweig vom Rhein bin ich oben auf 460mNN und froh, es wieder etwas rollen lassen zu können. Dann geht es aber schon wieder etwa 100Hm hinunter nach Rheinböllen. Auf einer Bank an der Ortsstraße mache ich meine zweite Mittagspause und esse die zweite mitgebrachte Bratwurst. Außerdem kann ich die Socken auswringen.
Dann geht’s weiter Richtung Simmern. Ich kenne die Strecke schon von einer Tour vom September letzten Jahres und weiß, dass es jetzt lustig rauf und runter geht, also nichts zum Ausruhen, eher die anstrengende Variante. Deshalb bin ich froh, dass es nach Simmern hinein dann nochmal rauschend abwärts geht und ich im Ort so gegen 15 Uhr eine Eisdiele finde. Hier ziehe ich die nassen Schuhe und Socken aus und esse mein Eis barfüßig. So können die immer noch eiskalten Füße etwas anwärmen. Die Bedienung sieht es nicht, oder tut wenigstens so.
Normalerweise suche ich mir spätestens zu dieser Zeit mein Etappenziel aus. Aber bei dem zu erwartenden Wetter will ich mein Zelt nicht aufbauen, außerdem ist in meiner Fahrtrichtung weit und breit kein Campingplatz auszumachen. Also werde ich mir zu passender Gelegenheit ein Zimmer suchen.
Weiter geht’s jetzt über Kirchberg nach Sohren, ständig rauf und runter, kein Wunder, dass hier kein Reiseradler zu sehen ist. Langsam werde ich platt. Bei Buchenbeuren steigt direkt vor mir ein Passagierflugzeig aus dem Wald auf, der ist keine 100m hoch in der Luft. Hier muss der Flughafen Frankfurt-Hahn direkt um die Ecke liegen.
Im nächsten Ort Wahlenau habe ich dann genug für heute, im Dorfgasthof frage ich nach einem Zimmer. Die Wirtin schickt mich zu einer Pension, die ist allerdings belegt, aber man weiß mir zu helfen und telefoniert kurz. Dann kann ich zur Familie Kölzer fahren, die Privatzimmer vermietet. Hier erfahre ich, dass die Wahlenauer Zimmervermieter sich zu einem Verbund „Hotel Wahlenau“ zusammengeschlossen haben und untereinander die Gäste vermitteln. Ich lande also im „Haus Angelika“ und kann mein Gepäck in ein schönes Doppelzimmer im 2. Stock hinauftragen. Dusche und Bad sind auf dem Flur und ich muss sie mit einem anderen Gast teilen, einem Golflehrer aus England, den ich allerdings nicht zu sehen bekomme.
Ich dusche und rufe zu Hause an. Dann gehe ich zurück in den Gasthof zum Abendessen. Die Wirtin kennt mich noch, sind doch Radwanderer hier eine Seltenheit. Da kein Tisch frei ist, setze ich mich zu einem einheimischen Pärchen, so Ende 40 Anfang 50 Jahre alt, an den Tisch. Und weil ich mit meiner Lenkertasche unter dem Arm und der Radfahrerkarte, die ich bald auspacke und auf dem Tisch ausbreite, unweigerlich als Radwanderer erkennbar bin, haben wir bald ein angeregtes Gespräch. Wir bestellen auch noch dasselbe Essen, ein Steak vom einheimischen Rind. Die Beiden sind häufig auf abenteuerlichen Urlaubstrips in diversen Wildnissen unterwegs und können gut davon berichten. Da kann ich mit meinen Radreisen in Mitteleuropa nicht dagegen anstinken.
Schließlich kommen wir auch noch auf das Thema Hochzeit zu sprechen und dass ich als Brautvater eine Rede halten darf. Da geht ein Lächeln über Beider Gesichter und sie berichten mir, dass sie vor kurzem auch auf einer Hochzeit eingeladen waren. Als hier der Brautvater aufstand, um ebenfalls eine Rede zu halten, zog er ein Manuskript von 8 Seiten aus der Tasche. Nach den ersten Worten sah man, dass der Braut alle Gesichtsmuskeln erschlafften und sie sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen hätte. Auf den 8 Seiten waren die peinlichsten Peinlichkeiten aus dem Leben der Braut beschrieben und der Vater hat sie gnadenlos vorgetragen. Sollte das auch ein Thema für meine Rede bei der Hochzeit meiner Tochter sein? Ich könnte diese Anekdote erzählen, aber meine Tochter so bloßstellen? Niemals!
Als ich dann bezahle, erklärt mir der Mann der Wirtin noch stolz, dass das Gasthaus früher eine Mühle war und zeigt mir die ganzen Maschinen der Müllerei, die im ersten Stock noch funktionsfähig zu besichtigen sind. Er sagt mir auch, dass meine beiden Tischnachbarn der Dorfarzt des Nachbardorfs war, und seine Frau auch einen Doktortitel hat. Na so was.
Ich gehe zurück zu meinem Zimmer und bespreche noch mit der Vermieterin, dass ich morgen um 7 Uhr früh-stücken möchte, dann aber meine Abreise vom Wetter abhängig machen möchte. Es soll ja heftig regnen.
2.Tag Nach Metzdorf (Sauer): Hunsrück und Ruwer
Heute ist also der Tag des Wetters, besser ohne Wetter, oder noch besser: Tag des Schweinewetters.
In der Nacht regnet es, ich höre die Tropfen an die Scheibe klopfen. Als ich am Morgen gegen 6:30 Uhr aufstehe, ist der Spuk allerdings erst mal vorbei. Ich schaue aus dem Fenster und es sieht aus, als wären die Wolken auf Grund gelaufen. Eigentlich sieht es besser aus, als ich befürchtet hatte.
Um 7 Uhr hat Frau Kölzer ein Frühstück aufgefahren, das es in einem Hotel sonst kaum am Buffet gibt: frische Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade, Honig, Saft, Kaffee, Joghurt, Obst. Ich kann so viel gar nicht essen. Dann schauen wir uns das Regenradar an. Auch hier sieht es eigentlich ganz gut aus. Ich schätze, dass in etwa einer Stunde nochmal eine Schauerzone durchzieht, dann sollte das Gröbste gegessen sein. Vielleicht schaffe ich es ja rechtzeitig bis nach Morbach, dort könnte ich den Regen durchziehen lassen, während ich in einem Café mein zweites Frühstück zu mir nehme. Also gibt es keinen Schlechtwetter-Pausentag. Mit dem K-Way angezogen bin ich zumindest obenherum vor Wasser von außen geschützt. Wenn ich schwitzen sollte, hat das allerdings einen negativen Effekt, dann bin ich innen genauso nass wie außen.
Schnell ist das Rad bepackt und gegen 7:45 Uhr geht’s weiter. Alles ist trüb, grau in grau, aber wenigstens ist es von oben trocken. Die Strecke ist eigentlich sehr schön, allerdings immer noch anspruchsvoll. Ein heftiger Rückenwind hilft mir bei den Steigungen. Dann geht’s durch ein größeres Waldstück, hier ist der Waldweg allerdings durch die Regenfälle der Nacht und der letzten Tage sehr pfützig, alles ist nass, aber der Weg trotzdem fest. Ich kann um die Wasserflächen im Slalom herumfahren.
Leider setzt jetzt der erwartete Regen ein, früher als erwartet, und auch stärker. Der Wind frischt richtig auf, dabei schützt der Wald zwar, aber von den Bäumen tropft es noch zusätzlich zum Regen. Es ist einfach nur ungemütlich.
Vor Morbach gibt es dann noch eine Baustelle, durch die ich mit dem Rad nicht durchkomme, es ist viel zu schlammig. Also muss ich die beschilderte Umleitung für die Autos fahren, rauf auf 500mNN, dann runter zur B327 und zwischen dem normalen Wahnsinnsverkehr auf gut 2,5 km bis zur nächsten Abfahrt nach Morbach. Uff, das hätte ich schon mal überlebt!
In Morbach finde ich ein schönes Café, das hätte mit dem Schauer so gut klappen können. So komme ich tropfnass an und darf mich trotzdem auf die Polstersitze setzen. Die Leute hier sind ziemlich lustig, alle bedauern mich (oder veräppeln die mich nur?). Jedenfalls bietet mir der Chef ein Zimmer im angeschlossenen Hotel an, um das Wetter auszusitzen. Aber jetzt bin ich schon unterwegs, jetzt ziehe ich das durch!
Nach einer halben Stunde Frühstückspause ist die angebliche Regenzone immer noch nicht durchgezogen und so raffe ich mich gegen 9:45 Uhr wieder auf. Hinter Morbach beginnt allerdings die Pampa, d.h. nur noch Wald, auf zig Kilometer. Zunächst geht’s in einem kleinen Tal hinauf. Ich muss dabei noch zwei Holztransporter vorbei lassen, die bleiben zwar rücksichtsvoll auf dem engen Waldweg stehen, aber ich muss mich durch die nassen Büsche und über die nasse Wiese an ihnen vorbei zwängen. Egal, die Schuhe schwimmen sowieso schon. Danach sehe ich für die nächsten 1,5 Std keine Menschenseele mehr. Schnell habe ich 600mNN erreicht, dann bleibt der breite Waldweg in etwa auf diesem Niveau.
Eigentlich ist der Weg genial schön zum Radeln, wenn nur das Mistwetter nicht wäre. Ich erinnere mich noch dunkel, dass ich hier schon mal geradelt bin, das war 2002 und damals war das Wetter genial. Jetzt schufte ich mich den Weg entlang, bis es schließlich auch noch weiter hinauf geht. Der Erbeskopf ist über 800mNN hoch, und die fehlenden 200Hm müssen ja noch überwunden werden. Der einzige Lichtblick ist, dass die letzten 2km über einem geteerten Zufahrtsweg führen. Eine Gruppe Motorradfahrer überholt mich, die bleiben allerdings nicht lange oben. Bis ich es hinauf geschafft habe, kommen sie mir bereits wieder entgegen. Und dann sehe ich auch, weshalb: hier oben pfeift der Wind in Sturmstärke, man sieht einfach gar nichts. Ich stelle mein Rad kurz unter den Holzturm, den ich bereits 2002 erklommen hatte, mache ein Beweisfoto und verabschiede mich sofort vom höchsten Punkt von Rheinland Pfalz (und meiner Radreise).
Nun sollte es etwas weniger mühevoll werden. Sollte. Zwar geht’s erst mal abwärts, das ist der Vorteil, wenn man irgendwo oben ist. Außerdem ist der Weg jetzt geteert, auch das hilft ungemein. Aber die Hoffnung, oder besser die Erinnerung, dass es jetzt nur noch abwärts geht, erweist sich als falsch. Es geht auch wieder rauf! Und das ist dann noch anstrengender, als es von den Steigungsprozenten her eigentlich sein sollte. Da spielt bestimmt auch die Psyche mit: eine unerwartete Anstrengung empfindet man viel stärker, als eine vorher bekannte. Erst als nach ca. 7km der Rheinland-Pfalz-Radweg zum Hunsrück-Radweg dazu stößt, geht’s wieder abwärts, und das jetzt ziemlich heftig. Bei der andauernden Bremserei hören sich die hinteren Bremsbeläge nicht mehr so dolle an. Sollte der ganze Dreck die Beläge abgeschliffen haben? Das muss ich demnächst kontrollieren.
Kurz vor Thiergarten erreicht der Weg jetzt eine Landstraße, dann geht’s wieder auf geteerten Wirtschaftswegen Richtung Hermeskeil. Bei einem kurzen Richtungswechsel merke ich erst, wie heftig der Wind von hinten gedrückt hat, jetzt muss ich erst mal dagegen ankämpfen. Und als ich mich gegen den Wind an einem Friedhof eine heftige Steigung hochkämpfe, kommt plötzlich trotz leichtem Nieselregen die Sonne ganz kurz heraus, so als wolle sie mich verhöhnen. Der Spuk ist allerdings so schnell vorbei, wie er kam.
Jetzt bin ich in Hermeskeil, und am Anfang der Fußgängerzone sehe ich das Schild eines Gasthofs, auf dem ein Mittagsmenü angeboten wird. Dadurch werde ich spontan zu meiner Mittagspause animiert. Das Menü enthält eine Suppe und ein Schnitzel mit Pommes und Salat. Ich sitze in einer Ecke des Gastraums und kann die Socken ausziehen und unter dem Tisch heimlich auswringen. Das hilft zwar nicht gegen das Gepatsche der Schuhe, vielleicht können sie aber dadurch irgendwann besser trocknen.
Die Pause ist leider viel zu kurz, um auch nur annähernd etwas trockener zu werden. Ich muss weiter…
Es geht hinunter zum Bahnhof und hier beginnt eine umgebaute Bahnstrecke, der Ruwer-Hochwald-Radweg. Der Weg ist von bester Qualität und führt auf 48km auf der alten Bahnstrecke von Hermeskeil nach Trier-Ruwer. Zunächst bin ich überrascht, hier einen so schönen Radweg zu finden. Es geht erst ein paar Höhenmeter hinauf nach Reinsfeld, dann nur noch hinunter. Nach wenigen Kilometern bin ich begeistert, das ist der schönste Bahntrassenradweg, den ich in Deutschland bisher gefahren bin. Selbst der Vulkanradweg kommt da nicht mit. Schade ist nur, dass das Wetter so schlecht ist, es will einfach nicht aufhören zu regnen. Die Wegeführung ist ein einziger Genuss, bei schönem Wetter wäre es ein Hochgenuss geworden.
Durch einen schönen Wald geht’s von Reinsfeld hinunter nach Kell am See. Dort sehe ich in einer Seitenstraße eine Gruppe Radler an einem Bus stehen, alle haben dieselben gelben Jacken an (das fällt schon auf), aus einem Lokal wird ihnen zugewunken. Ich schätze mal, dass die hier mit dem Bus hochgefahren wurden, im Lokal gegessen haben und jetzt in den Radweg einsteigen.
Ich genieße die Abfahrt, kann es richtig gut rollen lassen und dabei die schöne Landschaft bewundern. Bei Mandern wird auf einem Schild erläutert, dass hier vor kurzem der Biber wieder heimisch wurde. Und ein paar Ziegen (wo kommen die denn her) wollen mich um etwas Futter anbetteln. Bei einer Pinkelpause bemerke ich, dass eine Horde Radler mit eingeschaltetem Licht den Radweg hinunter saust. Ich sehe zu, dass ich schnell wieder aufs Rad steige und weiterfahre.
Wenige Kilometer später trennt sich der Hunsrück-Radweg vom Bahntrassenradweg und ich mache ein Foto von den Erläuterungsschildern. Dabei saust dann diese wilde Truppe an mir vorbei. Jetzt kann ich erkennen, dass es sich um eine Gruppe von etwa einem Dutzend Radlern auf E-Bikes handelt, alle in gelben Jacken. Das war dann wohl die Gruppe, die ich in Kell am Bus habe stehen sehen. Braucht man zum Herunterrauschen auch noch E-Bikes?
Ich entscheide mich, nicht weiter dem Hunsrück-Radweg zu folgen, sondern auf diesem tollen Ruwer-Hochwald-Radweg bis an die Mosel zu rollen. Bald sehe ich die Gruppe auf dem Radweg stehen, die machen dort auch eine Pinkelpause. Ich bleibe bei ihnen stehen und es beginnt eine nette Unterhaltung. Sie kommen aus Basel und wollen noch bis nach Amsterdam. Die Gruppe ist altersmäßig recht heterogen zusammenstellt. Ich frage aber nicht, wie dieser Trupp sich so gefunden hat. Jedenfalls sause ich mit ihnen weiter den Radweg durch das tolle Tal der Ruwer hinunter. Bald merke ich aber, dass es ziemlich riskant ist, mit knapp 30kmh diesen Weg in einer so großen Gruppe entlang zu rasen. Bei der nächsten Gelegenheit, nämlich einer Straßenquerung, sage ich tschüss und fahre an ihnen vorbei vorneweg. Ich hab sie nicht wieder gesehen.
Auf dem Radweg geht es endlos abwärts, toll ausgebaut, immer nur abwärts. Kurz vor dem Ende bei Schloss Grünhaus sehe ich ein Hinweisschild zu einer Eisdiele, und weil es mal wieder Zeit ist (15:30 Uhr), nehme ich den Abzweig. Der erweist sich allerdings als ziemlich anstrengend, es geht nämlich in den Ort Mertesdorf, und zwar hinauf, und zwar mit über 10% Steigung, und zwar ganze 100Hm hinauf. Als ich nach 20 Minuten endlich die Eisdiele sehe, bin ich richtig sauer über diesen unnötigen Umweg. Das Schild war halt taktisch clever postiert und hat mich im falschen Moment, nämlich einem hungrigen Moment, erwischt. Aber das Eis ist gut und der Chef der Eisdiele richtig nett. Außerdem kann ich mal wieder meine nassen Klamotten etwas trocknen lassen.
Runter kann ich‘s dann gut laufen lassen, mit über 50kmh habe ich die 100Hm schnell wieder abgegeben. Genauso schnell erreiche ich auch den Mosel-Radweg und biege nach Trier ab. Zunächst geht’s auf eine stark befahrene Landstraße (mir kommt sofort eine Gruppe Radwanderer mit Kids entgegen), dann auf eine Nebenstraße nach Trier hinein. Hier ist etwas Berufsverkehr und ich finde mit Hilfe das Navis die Porta Nigra und die Kaiser-Wilhelm-Brücke über die Mosel. Auch die Mosel hat viel Wasser, aber für Überflutungen reicht es nicht. Später höre ich, dass die Hochwasserwelle Trier schon verlassen hat und der Pegel schon sinkt.
Am nördlichen Moselufer finde ich dann auch sofort den Mosel-Radweg. Und noch etwas Bemerkenswertes passiert: endlich hört es auf zu regnen. Erst kann ich es nicht glauben, aber es fängt wirklich auch nicht mehr an. Trotzdem will ich mir heute nochmal ein Zimmer nehmen, ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einem Campingplatz eine Wiese auch nur annähernd wenig mit Pfützen versehen ist, um ein Zelt aufzustellen.
Also beginne ich gegen 17 Uhr mit der Zimmersuch. Den ersten Versuch starte ich in Igel an der Mosel, im Hotel ist alles belegt. Der nächste Versuch scheitert in Langsur. In Mesenich gibt es zwar Privatzimmer, aber nicht für mich. In Metzdorf will man nicht an eine einzelne Person vermieten, aber in der Nachbarschaft täte man. Dort macht aber niemand auf. Ich versuche es sogar auf der Luxemburger Seite im Hôtel de la Sûre, nix (zum Glück, hier qualmen sie im Schankraum aus allen Mäulern).
Damit gebe ich es auf. In Metzdorf gibt es auch einen Campingplatz, es regnet jetzt schon über eine Stunde nicht mehr, warum sollte es nicht ein halbwegs trockenes Plätzchen für ein Zelt geben? In der Rezeption habe ich die Duschmarke schon in der Hand, bin gerade beim Bezahlen und erwähne kurz, dass ich eigentlich ein Zimmer gesucht hätte und man mir nirgends eines vermieten wollte, da sagt man nur: „Zimmer haben wir auch.“ Also tausche ich die Duschmarke gegen einen Zimmerschlüssel, muss zwar noch Handtücher und Bettwäsche extra bezahlen, bin aber immer noch mit den 23,50€ gut bedient. Duschen und WC befinden sich auf dem Flur, aber das hatte ich ja gestern schon. Ich schaffe meine Taschen aufs Zimmer und vor dem Duschen kann ich noch mein Rad mit einer Gießkanne entschlammen und die hinteren Bremsbeläge wechseln, die waren wirklich völlig herunter. Für die Schuhe kriege ich ein paar Blätter der gestrigen Zeitung, die sind dann morgen hoffentlich trocken.
Dann wird geduscht und meine liebe Frau wartet auch schon ungeduldig auf ein Lebenszeichen von mir. In Frankfurt und dem Rest von Deutschland muss es wie verrückt geschüttet haben, da waren die paar Tropfen heute einfach lächerlich.
Zum Essen gehe ich ins Lokal, es gibt Schnitzel mit Spargel.
Fortsetzung folgt ...
1.Tag Nach Wahlenau: Rhein und Hunsrück
- Donnerstag 30.5.(Fronleichnam)
- Tacho: 149 km
- Höhe: 1136 m
- Sattelzeit: 9:15 Std.
- Schnitt: 16,1 km/h
- Übernachtung: 30€
Dieses Jahr ist es ziemlich unsicher, ob ich meinen Radurlaub starten kann, ob ich zum geplanten Termin starten kann und wohin ich überhaupt fahre. Und schuld daran ist das Wetter.
In 2013 hatten wir einen langen Winter, noch bis Mitte April konnte ich wegen kaltem Mistwetter kaum Tagestouren fahren. Dann war endlich für 3 Wochen normales Wetter, bis Anfang Mai eine weitere Phase mit heftigem Sauwetter einsetzte.
Mein Tourenplan stand bereits seit Wochen fest: in die Dolomiten sollte es gehen. Sogar Schweizer Franken hatte ich mir schon besorgt. Doch eine Woche vor dem Start wurde mir klar, dass ich auch einen Plan B brauchte. Es sollte heute und in den nächsten Tagen in den Alpen heftigst schneien, mit Überschwemmungen, Murenabgängen und unpassierbaren Straßen. Bei solchem Wetter konnte ich unmöglich in die Berge fahren. Und als letzten Freitag auch noch die Etappe des Giro d’Italia über das Stilfser Joch abgesagt wurde, weil der gerade freigemachte Pass unter einem Meter Neuschnee zugeschüttet lag, war mir klar, dass ich ein zweites Ziel brauchte.
Selbst hier in Frankfurt war es unterirdisch kalt. Wo sollte es am wärmsten sein? Im Nordosten Deutschlands. Weil mein Bruder und ich letztes Jahr praktisch von Usedom geflüchtet waren und ich mir die Insel noch mal in Ruhe anschauen wollte, stand fest: Plan B geht wieder nach Usedom, diesmal über die Werraquellen, an die Saale, die Elbe, nach Brandenburg, an die Oder, usw.
Und vorgestern war der Wetterbericht eine einzige Katastrophe: Im gesamten Alpenraum, im gesamten Osten und Süden sollte es ab heute (Donnerstag) zwei- bis dreihundert Liter Wasser auf den Quadratmeter regnen. Das wäre eine Wetterlage für ein Jahrhundert-Hochwasser, schlimmer als 2002.
Also brauchte ich noch einen Plan C: wo sollte es am wenigsten gießen? In den Niederschlagskarten bei wetterzentrale.de sollte es in ganz Deutschland regnen, allerdings im Westen nur an einem Tag: heute und / oder morgen. Also hatte ich mir vorgestern (Dienstag) Abend auf die Schnelle eine Tour in den Westen zusammengestellt: in den Hunsrück (den Hunsrück-Radweg wollte ich schon vor zwei Jahren mal fahren), dann in die Eifel, das Hohe Venn (der Vennbahn-Radweg war laut Presseberichten gerade fertiggestellt.), an der Maas abwärts ein Stückchen holländische Radwege genießen, dann etwa am nördlichen Rand der Mittelgebirge nach Osten, südlich am Harz vorbei an die Saale, und dann wie im Plan B, nur umgekehrt, zurück an den Main.
Zusätzlich hatte ich noch eine weitere Aufgabe zu erledigen: ich wurde gefragt, ob ich zu Hochzeit meiner Ältesten als Brautvater ein paar Wort sprechen wollte. Natürlich war ich sofort dazu bereit, allerdings mangelte es mir an Ideen bezüglich des Themas. Auch wollte ich nicht irgendeine Internet-Rede halten, es sollte schon etwas selbst zusammengestelltes sein. Viele Wochen vergingen und immer konnte ich die Lösung des Problems auf meine Radreise verschieben, da sollte ich genügend Zeit haben, mir etwas besonders auszudenken. Hoffentlich klappt’s.
Jetzt ist es Donnerstagmorgen 5 Uhr, der Wecker hat gerasselt, ich stehe auf und bin immer noch im Unklaren, wohin und ob ich überhaupt fahren konnte, oder erst morgen oder übermorgen? Zunächst ist es draußen trocken, das ist ja schon mal positiv. Dann starte ich den PC und schaue mir die Niederschlagskarten an. Im Westen, also Hunsrück und Eifel, soll es morgen regnen, und zwar nur morgen. Den einen Tag Regen kann ich schon verkraften. Und wie es dann weitergeht, steht sowieso in den Sternen, wenn ich erst mal unterwegs bin, muss ich Regentage halt nehmen wie sie kommen.
Also wird es Plan C!
Ich mach mich fertig, es wird kurz gefrühstückt und die letzten Sachen sind schnell verstaut. Gegen 6:10 Uhr schaffe ich die Packtaschen vor die Tür. Die Nachbarin geht gerade zur Arbeit und wünscht mir noch eine gute Reise. Durch den neuen Packsack, der die Liegematte und den Schlafsack enthält, habe ich immerhin ein Bündel weniger zu verstauen als die letzten Jahre, jedoch ist der Sack zwar leicht, aber enorm groß. Damit wird mein Rad so richtig breit und unübersehbar.
Es sind überraschend viele Leute unterwegs, was wollen die am Feiertag Morgen auf den Beinen? Über die Ostparkstraße und die Flößerbrücke geht’s an den Main. Der hat bereits Hochwasser, das reicht jedoch nicht, um den Radweg zu überfluten. Am Eisernen Steg lümmelt sich eine Gruppe junger Leute auf der Wiese und der Bank davor, die haben wohl die Nacht durchgemacht. Auf der Friedensbrücke haben Strickguerillas die Statue des Hafenarbeiters mit einem ‚I love Ffm‘ Strickpulli „verschönert“. Das musste ich einfach fotografieren, ich fahre schließlich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit dort vorbei.
Weiter geht’s den Main entlang, über die neue Farbwerke-Umfahrung, Richtung Mainz. Langsam kommt sogar die Sonne durch, es ist aber noch reichlich kühl. Zum zweiten Frühstück kehre ich um 8:30 Uhr ins Café Oesterreich in Mainz Kostheim ein, hier mache ich immer Zwischenstation, wenn ich in diese Gegend komme. In Mainz-Kastel geht’s dann auf der mächtigen Brücke über den Rhein. Auch der hat reichlich Wasser. Ich halte mich auf dem Rhein-Radweg in Richtung Bingen. Vor Ingelheim stoße ich auf einen Radler Anfang 70 mit noch mehr Gepäck als ich. Er ist schon seit drei Wochen unterwegs und hat eigentlich keinen richtigen Plan, wo er hin will. Er kommt aus Thüringen und schimpft über dieses Mistwetter. Wenn der wüsste, was laut Vorhersage noch alles kommen soll… Und weil er jetzt einen Platz zum Frühstücken sucht, fahre ich alleine weiter. Sein Tempo war mir dann doch zu gemütlich.
Bis Bingen sehe ich in ein, zwei kleineren Orten Vorbereitungen zum Feiertags-Umzug, und es wird auch immer voller. Man merkt halt, dass der Rhein-Radweg auch bei der einheimischen Bevölkerung sehr beliebt ist.
Hinter Bingen kann ich dann endlich die langen Klamotten ausziehen, dafür beginnt ein Kampf gegen Heerscharen von Mücken, die sich auch denken, vor dem Regen noch mal die Sonne zu genießen. Unterhalb der Burg Rheinstein hat die Freiwillige Feuerwehr einen Grillstand am Radweg aufgebaut. Ich überlege kurz, ob ich mir eine Bratwurst leisten soll, fahre dann aber doch weiter, weil ich mein Mittagessen schon dabei habe und mir die dummen Sprüche der dort bereits pausierenden Tagesradler über mein Gepäck („So viele Sachen wie der am Rad hat, hab ich nicht mal zu Hause“) doch zu dumm sind.
Nur einen Kilometer weiter gibt’s schließlich einen schönen Rastplatz für mich alleine und hier kann ich einer meiner selbst mitgebrachten kalten Bratwürste ohne Kommentare verdrücken. Ein Pärchen aus Holland gesellt sich zu mir, sie sind seit ca. 4 Wochen unterwegs, von Budapest bis kurz vor ihrer Heimat. Meine vorderen Packtaschen sind schon die ganze Zeit heftig am Klappern und ich versuche, mit meinem mitgebrachten Werkzeug, die Schrauben des Frontträgers fester anzudrehen. Das hat leider nur den Erfolg, dass ich jetzt schmutzige Hände habe, das Klappern wird mich die ganze Tour begleiten. Leider gibt’s keine Gelegenheit, die Hände zu waschen. Egal, das muss auch so gehen.
Kurz darauf erreiche ich Niederheimbach, hier biege ich links ab auf den Hunsrück-Radweg. Und sofort geht’s bergauf, so ca. 6% Steigung im Schnitt, manchmal auch bis 10%. Die Straße durch den Ort ist ziemlich eng und zugeparkt, aber im nächsten Ort Oberheimbach ist Sackgasse, für normale Autos ist hier Schluss. Der Radweg aber verläuft weiter auf einem geteerten Wirtschaftsweg durch das wunderschöne Heimbachtal.
Leider finde ich in beiden Orten keinen Brunnen, um mir die Hände zu waschen. Nach etlichen Höhenmetern empfinde ich die schmutzigen Hände dann doch als störend, und als im Graben neben dem Weg ein kleiner Bach fließt, mache ich eine kurze Reinigungspause. Bedauerlicherweise ist der Rand des Seitengrabens von der Nässe der letzten Tage so durchweicht, dass er mein Gewicht nicht halten kann. Ich rutsche ab und falle rücklings in den Graben und kann mich mit den Ellenbogen gerade so abstützen. Beide Füße mit Schuhen und Socken sind nass, die Arme und Beine sind verdreckt. Zum Glück habe ich kurze Klamotten an, Arme und Beine kann ich mit dem Wasser des Bachs schnell vom Matsch befreien, und … endlich die Hände waschen. Ich klettere wieder aus dem Graben. Zum Lufttrocknen der Schuhe am Lenker ist es leider zu kalt, egal, irgendwann sollten sie schon wieder trocken werden. Wenige Minuten später fährt ein Auto an mir vorbei. Wenn mich der Fahrer wie einen Maikäfer rücklings im Graben liegen gesehen hätte, wäre er bestimmt vor Lachen vom Weg abgekommen und ins Tal gestürzt.
Eine gute Stunde nach dem Abzweig vom Rhein bin ich oben auf 460mNN und froh, es wieder etwas rollen lassen zu können. Dann geht es aber schon wieder etwa 100Hm hinunter nach Rheinböllen. Auf einer Bank an der Ortsstraße mache ich meine zweite Mittagspause und esse die zweite mitgebrachte Bratwurst. Außerdem kann ich die Socken auswringen.
Dann geht’s weiter Richtung Simmern. Ich kenne die Strecke schon von einer Tour vom September letzten Jahres und weiß, dass es jetzt lustig rauf und runter geht, also nichts zum Ausruhen, eher die anstrengende Variante. Deshalb bin ich froh, dass es nach Simmern hinein dann nochmal rauschend abwärts geht und ich im Ort so gegen 15 Uhr eine Eisdiele finde. Hier ziehe ich die nassen Schuhe und Socken aus und esse mein Eis barfüßig. So können die immer noch eiskalten Füße etwas anwärmen. Die Bedienung sieht es nicht, oder tut wenigstens so.
Normalerweise suche ich mir spätestens zu dieser Zeit mein Etappenziel aus. Aber bei dem zu erwartenden Wetter will ich mein Zelt nicht aufbauen, außerdem ist in meiner Fahrtrichtung weit und breit kein Campingplatz auszumachen. Also werde ich mir zu passender Gelegenheit ein Zimmer suchen.
Weiter geht’s jetzt über Kirchberg nach Sohren, ständig rauf und runter, kein Wunder, dass hier kein Reiseradler zu sehen ist. Langsam werde ich platt. Bei Buchenbeuren steigt direkt vor mir ein Passagierflugzeig aus dem Wald auf, der ist keine 100m hoch in der Luft. Hier muss der Flughafen Frankfurt-Hahn direkt um die Ecke liegen.
Im nächsten Ort Wahlenau habe ich dann genug für heute, im Dorfgasthof frage ich nach einem Zimmer. Die Wirtin schickt mich zu einer Pension, die ist allerdings belegt, aber man weiß mir zu helfen und telefoniert kurz. Dann kann ich zur Familie Kölzer fahren, die Privatzimmer vermietet. Hier erfahre ich, dass die Wahlenauer Zimmervermieter sich zu einem Verbund „Hotel Wahlenau“ zusammengeschlossen haben und untereinander die Gäste vermitteln. Ich lande also im „Haus Angelika“ und kann mein Gepäck in ein schönes Doppelzimmer im 2. Stock hinauftragen. Dusche und Bad sind auf dem Flur und ich muss sie mit einem anderen Gast teilen, einem Golflehrer aus England, den ich allerdings nicht zu sehen bekomme.
Ich dusche und rufe zu Hause an. Dann gehe ich zurück in den Gasthof zum Abendessen. Die Wirtin kennt mich noch, sind doch Radwanderer hier eine Seltenheit. Da kein Tisch frei ist, setze ich mich zu einem einheimischen Pärchen, so Ende 40 Anfang 50 Jahre alt, an den Tisch. Und weil ich mit meiner Lenkertasche unter dem Arm und der Radfahrerkarte, die ich bald auspacke und auf dem Tisch ausbreite, unweigerlich als Radwanderer erkennbar bin, haben wir bald ein angeregtes Gespräch. Wir bestellen auch noch dasselbe Essen, ein Steak vom einheimischen Rind. Die Beiden sind häufig auf abenteuerlichen Urlaubstrips in diversen Wildnissen unterwegs und können gut davon berichten. Da kann ich mit meinen Radreisen in Mitteleuropa nicht dagegen anstinken.
Schließlich kommen wir auch noch auf das Thema Hochzeit zu sprechen und dass ich als Brautvater eine Rede halten darf. Da geht ein Lächeln über Beider Gesichter und sie berichten mir, dass sie vor kurzem auch auf einer Hochzeit eingeladen waren. Als hier der Brautvater aufstand, um ebenfalls eine Rede zu halten, zog er ein Manuskript von 8 Seiten aus der Tasche. Nach den ersten Worten sah man, dass der Braut alle Gesichtsmuskeln erschlafften und sie sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen hätte. Auf den 8 Seiten waren die peinlichsten Peinlichkeiten aus dem Leben der Braut beschrieben und der Vater hat sie gnadenlos vorgetragen. Sollte das auch ein Thema für meine Rede bei der Hochzeit meiner Tochter sein? Ich könnte diese Anekdote erzählen, aber meine Tochter so bloßstellen? Niemals!
Als ich dann bezahle, erklärt mir der Mann der Wirtin noch stolz, dass das Gasthaus früher eine Mühle war und zeigt mir die ganzen Maschinen der Müllerei, die im ersten Stock noch funktionsfähig zu besichtigen sind. Er sagt mir auch, dass meine beiden Tischnachbarn der Dorfarzt des Nachbardorfs war, und seine Frau auch einen Doktortitel hat. Na so was.
Ich gehe zurück zu meinem Zimmer und bespreche noch mit der Vermieterin, dass ich morgen um 7 Uhr früh-stücken möchte, dann aber meine Abreise vom Wetter abhängig machen möchte. Es soll ja heftig regnen.
2.Tag Nach Metzdorf (Sauer): Hunsrück und Ruwer
- Freitag 31.5.
- Tacho: 139 km
- Höhe: 1007 m
- Sattelzeit: 8:20 Std.
- Schnitt: 16,6 km/h
- Übernachtung: 23,50€
Heute ist also der Tag des Wetters, besser ohne Wetter, oder noch besser: Tag des Schweinewetters.
In der Nacht regnet es, ich höre die Tropfen an die Scheibe klopfen. Als ich am Morgen gegen 6:30 Uhr aufstehe, ist der Spuk allerdings erst mal vorbei. Ich schaue aus dem Fenster und es sieht aus, als wären die Wolken auf Grund gelaufen. Eigentlich sieht es besser aus, als ich befürchtet hatte.
Um 7 Uhr hat Frau Kölzer ein Frühstück aufgefahren, das es in einem Hotel sonst kaum am Buffet gibt: frische Brötchen, Wurst, Käse, Marmelade, Honig, Saft, Kaffee, Joghurt, Obst. Ich kann so viel gar nicht essen. Dann schauen wir uns das Regenradar an. Auch hier sieht es eigentlich ganz gut aus. Ich schätze, dass in etwa einer Stunde nochmal eine Schauerzone durchzieht, dann sollte das Gröbste gegessen sein. Vielleicht schaffe ich es ja rechtzeitig bis nach Morbach, dort könnte ich den Regen durchziehen lassen, während ich in einem Café mein zweites Frühstück zu mir nehme. Also gibt es keinen Schlechtwetter-Pausentag. Mit dem K-Way angezogen bin ich zumindest obenherum vor Wasser von außen geschützt. Wenn ich schwitzen sollte, hat das allerdings einen negativen Effekt, dann bin ich innen genauso nass wie außen.
Schnell ist das Rad bepackt und gegen 7:45 Uhr geht’s weiter. Alles ist trüb, grau in grau, aber wenigstens ist es von oben trocken. Die Strecke ist eigentlich sehr schön, allerdings immer noch anspruchsvoll. Ein heftiger Rückenwind hilft mir bei den Steigungen. Dann geht’s durch ein größeres Waldstück, hier ist der Waldweg allerdings durch die Regenfälle der Nacht und der letzten Tage sehr pfützig, alles ist nass, aber der Weg trotzdem fest. Ich kann um die Wasserflächen im Slalom herumfahren.
Leider setzt jetzt der erwartete Regen ein, früher als erwartet, und auch stärker. Der Wind frischt richtig auf, dabei schützt der Wald zwar, aber von den Bäumen tropft es noch zusätzlich zum Regen. Es ist einfach nur ungemütlich.
Vor Morbach gibt es dann noch eine Baustelle, durch die ich mit dem Rad nicht durchkomme, es ist viel zu schlammig. Also muss ich die beschilderte Umleitung für die Autos fahren, rauf auf 500mNN, dann runter zur B327 und zwischen dem normalen Wahnsinnsverkehr auf gut 2,5 km bis zur nächsten Abfahrt nach Morbach. Uff, das hätte ich schon mal überlebt!
In Morbach finde ich ein schönes Café, das hätte mit dem Schauer so gut klappen können. So komme ich tropfnass an und darf mich trotzdem auf die Polstersitze setzen. Die Leute hier sind ziemlich lustig, alle bedauern mich (oder veräppeln die mich nur?). Jedenfalls bietet mir der Chef ein Zimmer im angeschlossenen Hotel an, um das Wetter auszusitzen. Aber jetzt bin ich schon unterwegs, jetzt ziehe ich das durch!
Nach einer halben Stunde Frühstückspause ist die angebliche Regenzone immer noch nicht durchgezogen und so raffe ich mich gegen 9:45 Uhr wieder auf. Hinter Morbach beginnt allerdings die Pampa, d.h. nur noch Wald, auf zig Kilometer. Zunächst geht’s in einem kleinen Tal hinauf. Ich muss dabei noch zwei Holztransporter vorbei lassen, die bleiben zwar rücksichtsvoll auf dem engen Waldweg stehen, aber ich muss mich durch die nassen Büsche und über die nasse Wiese an ihnen vorbei zwängen. Egal, die Schuhe schwimmen sowieso schon. Danach sehe ich für die nächsten 1,5 Std keine Menschenseele mehr. Schnell habe ich 600mNN erreicht, dann bleibt der breite Waldweg in etwa auf diesem Niveau.
Eigentlich ist der Weg genial schön zum Radeln, wenn nur das Mistwetter nicht wäre. Ich erinnere mich noch dunkel, dass ich hier schon mal geradelt bin, das war 2002 und damals war das Wetter genial. Jetzt schufte ich mich den Weg entlang, bis es schließlich auch noch weiter hinauf geht. Der Erbeskopf ist über 800mNN hoch, und die fehlenden 200Hm müssen ja noch überwunden werden. Der einzige Lichtblick ist, dass die letzten 2km über einem geteerten Zufahrtsweg führen. Eine Gruppe Motorradfahrer überholt mich, die bleiben allerdings nicht lange oben. Bis ich es hinauf geschafft habe, kommen sie mir bereits wieder entgegen. Und dann sehe ich auch, weshalb: hier oben pfeift der Wind in Sturmstärke, man sieht einfach gar nichts. Ich stelle mein Rad kurz unter den Holzturm, den ich bereits 2002 erklommen hatte, mache ein Beweisfoto und verabschiede mich sofort vom höchsten Punkt von Rheinland Pfalz (und meiner Radreise).
Nun sollte es etwas weniger mühevoll werden. Sollte. Zwar geht’s erst mal abwärts, das ist der Vorteil, wenn man irgendwo oben ist. Außerdem ist der Weg jetzt geteert, auch das hilft ungemein. Aber die Hoffnung, oder besser die Erinnerung, dass es jetzt nur noch abwärts geht, erweist sich als falsch. Es geht auch wieder rauf! Und das ist dann noch anstrengender, als es von den Steigungsprozenten her eigentlich sein sollte. Da spielt bestimmt auch die Psyche mit: eine unerwartete Anstrengung empfindet man viel stärker, als eine vorher bekannte. Erst als nach ca. 7km der Rheinland-Pfalz-Radweg zum Hunsrück-Radweg dazu stößt, geht’s wieder abwärts, und das jetzt ziemlich heftig. Bei der andauernden Bremserei hören sich die hinteren Bremsbeläge nicht mehr so dolle an. Sollte der ganze Dreck die Beläge abgeschliffen haben? Das muss ich demnächst kontrollieren.
Kurz vor Thiergarten erreicht der Weg jetzt eine Landstraße, dann geht’s wieder auf geteerten Wirtschaftswegen Richtung Hermeskeil. Bei einem kurzen Richtungswechsel merke ich erst, wie heftig der Wind von hinten gedrückt hat, jetzt muss ich erst mal dagegen ankämpfen. Und als ich mich gegen den Wind an einem Friedhof eine heftige Steigung hochkämpfe, kommt plötzlich trotz leichtem Nieselregen die Sonne ganz kurz heraus, so als wolle sie mich verhöhnen. Der Spuk ist allerdings so schnell vorbei, wie er kam.
Jetzt bin ich in Hermeskeil, und am Anfang der Fußgängerzone sehe ich das Schild eines Gasthofs, auf dem ein Mittagsmenü angeboten wird. Dadurch werde ich spontan zu meiner Mittagspause animiert. Das Menü enthält eine Suppe und ein Schnitzel mit Pommes und Salat. Ich sitze in einer Ecke des Gastraums und kann die Socken ausziehen und unter dem Tisch heimlich auswringen. Das hilft zwar nicht gegen das Gepatsche der Schuhe, vielleicht können sie aber dadurch irgendwann besser trocknen.
Die Pause ist leider viel zu kurz, um auch nur annähernd etwas trockener zu werden. Ich muss weiter…
Es geht hinunter zum Bahnhof und hier beginnt eine umgebaute Bahnstrecke, der Ruwer-Hochwald-Radweg. Der Weg ist von bester Qualität und führt auf 48km auf der alten Bahnstrecke von Hermeskeil nach Trier-Ruwer. Zunächst bin ich überrascht, hier einen so schönen Radweg zu finden. Es geht erst ein paar Höhenmeter hinauf nach Reinsfeld, dann nur noch hinunter. Nach wenigen Kilometern bin ich begeistert, das ist der schönste Bahntrassenradweg, den ich in Deutschland bisher gefahren bin. Selbst der Vulkanradweg kommt da nicht mit. Schade ist nur, dass das Wetter so schlecht ist, es will einfach nicht aufhören zu regnen. Die Wegeführung ist ein einziger Genuss, bei schönem Wetter wäre es ein Hochgenuss geworden.
Durch einen schönen Wald geht’s von Reinsfeld hinunter nach Kell am See. Dort sehe ich in einer Seitenstraße eine Gruppe Radler an einem Bus stehen, alle haben dieselben gelben Jacken an (das fällt schon auf), aus einem Lokal wird ihnen zugewunken. Ich schätze mal, dass die hier mit dem Bus hochgefahren wurden, im Lokal gegessen haben und jetzt in den Radweg einsteigen.
Ich genieße die Abfahrt, kann es richtig gut rollen lassen und dabei die schöne Landschaft bewundern. Bei Mandern wird auf einem Schild erläutert, dass hier vor kurzem der Biber wieder heimisch wurde. Und ein paar Ziegen (wo kommen die denn her) wollen mich um etwas Futter anbetteln. Bei einer Pinkelpause bemerke ich, dass eine Horde Radler mit eingeschaltetem Licht den Radweg hinunter saust. Ich sehe zu, dass ich schnell wieder aufs Rad steige und weiterfahre.
Wenige Kilometer später trennt sich der Hunsrück-Radweg vom Bahntrassenradweg und ich mache ein Foto von den Erläuterungsschildern. Dabei saust dann diese wilde Truppe an mir vorbei. Jetzt kann ich erkennen, dass es sich um eine Gruppe von etwa einem Dutzend Radlern auf E-Bikes handelt, alle in gelben Jacken. Das war dann wohl die Gruppe, die ich in Kell am Bus habe stehen sehen. Braucht man zum Herunterrauschen auch noch E-Bikes?
Ich entscheide mich, nicht weiter dem Hunsrück-Radweg zu folgen, sondern auf diesem tollen Ruwer-Hochwald-Radweg bis an die Mosel zu rollen. Bald sehe ich die Gruppe auf dem Radweg stehen, die machen dort auch eine Pinkelpause. Ich bleibe bei ihnen stehen und es beginnt eine nette Unterhaltung. Sie kommen aus Basel und wollen noch bis nach Amsterdam. Die Gruppe ist altersmäßig recht heterogen zusammenstellt. Ich frage aber nicht, wie dieser Trupp sich so gefunden hat. Jedenfalls sause ich mit ihnen weiter den Radweg durch das tolle Tal der Ruwer hinunter. Bald merke ich aber, dass es ziemlich riskant ist, mit knapp 30kmh diesen Weg in einer so großen Gruppe entlang zu rasen. Bei der nächsten Gelegenheit, nämlich einer Straßenquerung, sage ich tschüss und fahre an ihnen vorbei vorneweg. Ich hab sie nicht wieder gesehen.
Auf dem Radweg geht es endlos abwärts, toll ausgebaut, immer nur abwärts. Kurz vor dem Ende bei Schloss Grünhaus sehe ich ein Hinweisschild zu einer Eisdiele, und weil es mal wieder Zeit ist (15:30 Uhr), nehme ich den Abzweig. Der erweist sich allerdings als ziemlich anstrengend, es geht nämlich in den Ort Mertesdorf, und zwar hinauf, und zwar mit über 10% Steigung, und zwar ganze 100Hm hinauf. Als ich nach 20 Minuten endlich die Eisdiele sehe, bin ich richtig sauer über diesen unnötigen Umweg. Das Schild war halt taktisch clever postiert und hat mich im falschen Moment, nämlich einem hungrigen Moment, erwischt. Aber das Eis ist gut und der Chef der Eisdiele richtig nett. Außerdem kann ich mal wieder meine nassen Klamotten etwas trocknen lassen.
Runter kann ich‘s dann gut laufen lassen, mit über 50kmh habe ich die 100Hm schnell wieder abgegeben. Genauso schnell erreiche ich auch den Mosel-Radweg und biege nach Trier ab. Zunächst geht’s auf eine stark befahrene Landstraße (mir kommt sofort eine Gruppe Radwanderer mit Kids entgegen), dann auf eine Nebenstraße nach Trier hinein. Hier ist etwas Berufsverkehr und ich finde mit Hilfe das Navis die Porta Nigra und die Kaiser-Wilhelm-Brücke über die Mosel. Auch die Mosel hat viel Wasser, aber für Überflutungen reicht es nicht. Später höre ich, dass die Hochwasserwelle Trier schon verlassen hat und der Pegel schon sinkt.
Am nördlichen Moselufer finde ich dann auch sofort den Mosel-Radweg. Und noch etwas Bemerkenswertes passiert: endlich hört es auf zu regnen. Erst kann ich es nicht glauben, aber es fängt wirklich auch nicht mehr an. Trotzdem will ich mir heute nochmal ein Zimmer nehmen, ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einem Campingplatz eine Wiese auch nur annähernd wenig mit Pfützen versehen ist, um ein Zelt aufzustellen.
Also beginne ich gegen 17 Uhr mit der Zimmersuch. Den ersten Versuch starte ich in Igel an der Mosel, im Hotel ist alles belegt. Der nächste Versuch scheitert in Langsur. In Mesenich gibt es zwar Privatzimmer, aber nicht für mich. In Metzdorf will man nicht an eine einzelne Person vermieten, aber in der Nachbarschaft täte man. Dort macht aber niemand auf. Ich versuche es sogar auf der Luxemburger Seite im Hôtel de la Sûre, nix (zum Glück, hier qualmen sie im Schankraum aus allen Mäulern).
Damit gebe ich es auf. In Metzdorf gibt es auch einen Campingplatz, es regnet jetzt schon über eine Stunde nicht mehr, warum sollte es nicht ein halbwegs trockenes Plätzchen für ein Zelt geben? In der Rezeption habe ich die Duschmarke schon in der Hand, bin gerade beim Bezahlen und erwähne kurz, dass ich eigentlich ein Zimmer gesucht hätte und man mir nirgends eines vermieten wollte, da sagt man nur: „Zimmer haben wir auch.“ Also tausche ich die Duschmarke gegen einen Zimmerschlüssel, muss zwar noch Handtücher und Bettwäsche extra bezahlen, bin aber immer noch mit den 23,50€ gut bedient. Duschen und WC befinden sich auf dem Flur, aber das hatte ich ja gestern schon. Ich schaffe meine Taschen aufs Zimmer und vor dem Duschen kann ich noch mein Rad mit einer Gießkanne entschlammen und die hinteren Bremsbeläge wechseln, die waren wirklich völlig herunter. Für die Schuhe kriege ich ein paar Blätter der gestrigen Zeitung, die sind dann morgen hoffentlich trocken.
Dann wird geduscht und meine liebe Frau wartet auch schon ungeduldig auf ein Lebenszeichen von mir. In Frankfurt und dem Rest von Deutschland muss es wie verrückt geschüttet haben, da waren die paar Tropfen heute einfach lächerlich.
Zum Essen gehe ich ins Lokal, es gibt Schnitzel mit Spargel.
Fortsetzung folgt ...